Hertha bereitet sich auf das richtungweisende Heimspiel gegen Erzgebirge Aue am Sonntag vor. Gegen Ende der Woche hat Coach Babbel es dann doch noch geschafft, sich selbst aus den Schlagzeilen zu bringen - und einen alten Hertha-Recken hinein: Andreas Neuendorf, dessen "Künstlernamen" ich ungern nenne, weil mich die damit verbundenen politischen Optionen der rechten wie der linken Verfassungsfeindlichkeit nicht zu faszinieren vermögen, Andreas Neuendorf also trainierte diese Woche wieder mit den Profis und wird allgemein am Sonntag auch in der ersten Elf erwartet.
Dies hat mit Verletzungen und mit der Personalpolitik zu tun, und lässt sehr schön erkennen, was in dieser Hinrunde bisher schiefgegangen ist. Dass Niemeyer ausgerechnet in einem so wichtigen Spiel nach fünf gelben Karten gesperrt ist, hat auch damit zu tun, dass er so oft taktisch verschlissen wurde - als einziges Bindeglied zwischen Viererkette und Offensivformation.
Dass Perdedaj verletzt ist, ist Pech, dass Lustenberger in der Viererkette aushelfen muss, ebenso, dass Pal Dardai von Coach Babbel nicht mehr richtig für die erste Elf in Erwägung gezogen wurde, halte ich prinzipiell für vernünftig. Aber es zeigt sich eben doch in der Kombination all dieser Umstände, dass da systemisch etwas nicht gut gelaufen ist, und das hat sich schon früh abgezeichnet.
Als die Saison mit einem DFB-Pokalspiel begann, schien der Plan von BP (Babbel-Preetz) noch aufzugehen: Friend als offensiver Turm, eine neue Stärke bei Standards, zwei, drei gute Flanken in den Strafraum reichten mit ein wenig Dusel zu Siegen. Aber dieses Konzept geriet bald in die Krise, die Standards verloren an Qualität, die Flanken versiegten, Friend geriet in eine Krise, und in dieser Situation, die durch ein glückliches 1:0 bei FSV Frankfurt noch nicht in ihrer Labilität erkannt wurde, bot Babbel der Mannschaft keine Spielidee an.
Das 4-1-4-1 beruht im Grunde darauf, dass sich die Situation offensiv irgendwie durch Überzahl von selber lösen wird, und tatsächlich hat Domovchyiski mit seinem Treffer gegen Fürth ja noch einmal gezeigt, dass das aufgehen kann - er stand gut in der Gegend herum, als Kobiashvili sich einmal durchtankte, und hatte dann die Technik, die Lücke zu nützen.
Aber natürlich macht das System sehr anfällig für kluge, schnelle Gegenangriffe, und es läuft Gefahr, entropisch zu werden, wenn ein Gegner auch nur anständiges Pressing spielt. Das ist zuletzt in der Regel passiert, Hertha hat ohne große Idee versucht, irgendwo ein Durchkommen zu finden. Diese Idee aber muss von Trainer kommen.
Die Berliner Zeitungen haben diese Woche begonnen, sich auf Babbel einzuschießen, und seine Reaktion (ein Interview im Kicker) beschränkt sich immer noch auf Einstellungsfragen ("die letzten zwei, drei Prozent, ein Tor erzwingen zu wollen", fehlen tatsächlich, aber sie fehlen auch deswegen, weil die 97 Prozent davor ein wenig vage sind).
Begierig haben alle Journalisten das Etikett "Ligakrösus" aufgegriffen, nachdem es einmal in Umlauf kam, und auch dagegen spielt Hertha nun an: Ein teures Team mit einem prominenten Trainer, der aber erst zeigen muss, dass er gegen die konkrete Kompetenz seiner unbekannteren Kollegen auch eine kompetente Taktik zu entwickeln vermag.
Gegen Aue am Sonntag wird da nicht viel zu erwarten sein, zu außergewöhnlich sind die personellen Umstände. Aber auch so können wir neugierig sein, ob Markus Babbel in der Lage ist, das Spiel anders neu zu strukturieren als nur einen Entsorgungsarbeiter (als solcher ließ Neuendorf sich gerade fotografieren) aus dem Hut zu zaubern. Die Tonnenlast dieses Wochenendes lässt sich aber immerhin mit einem Sieg ganz einfach in die Tonne werfen.
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