Sonntag, Dezember 05, 2010

Rückwärtsbewegung

Markus Babbel hat "eine gute Leistung" von seiner Mannschaft gesehen, sie hat trotzdem gerade 0:1 bei 1860 München verloren. Dem Befund des Trainers widerspricht vermutlich nicht nur diese eine Zahl, die Zweikampfwertung ist wahrscheinlich auch an die Münchner gegangen, und insgesamt war es eine verdiente Niederlage.

Dass diese noch durch einen Gastauftritt von Falko Götz beim Bezahlsender akzentuiert wurde, hat richtig gepasst - dabei hätte es seiner gar nicht bedurft, um an die denkbaren Paralleln in den Geschichten der beiden Clubs zu erinnern, die einander noch vor ein paar Jahren so schicksalhaft kreuzten (als Hertha sich direkt gegen 1860 und um das Haar eines verschossenen Elfmeters vor dem Abstieg in Sicherheit brachte), und die jetzt möglicherweise bald das Fahrwasser teilen.

Die Aufstellung war nicht ganz ohne Überraschungen: Lustenberger neben Hubnik in der Innenverteidigung war erwartet worden, Friend neben Ramos in einem 4-4-2 auch, es war der neben Niemeyer auflaufende Morales, den wohl viele Besucher erst einmal nachschlagen mussten. Der US-Berliner spielte statt Perdedaj.

Er geriet auch bald in die Schusslinie, als nämlich Kobiashvili ein zugegeben schon nicht optimales Zuspiel an der Seitenlinie lahm preisgab, wodurch es Lauth ermöglicht wurde, über halbrechts auf das Tor zuzulaufen. Hertha war in diesem Moment in Unterzahl, und dies mit Spielern, die neu im Team waren: Lustenberger und Morales orientierten sich verzweifelt im Raum, niemand ging Lauth an, der mit einer 27-Meter-Banane Sejna keine Chance ließ.

Davor und danach machte die Hertha das Spiel, oder sagen wir so: sie schob den Ball über den Platz, wurde aber gegen geschickt pressende Sechz'ger kaum einmal torgefährlich. Das hatte viele Gründe, die hier im Lauf der Wochen schon zur Genüge verhandelt wurden. Ein spezifischer war, dass die Systemumstellung wirkungslos blieb, weil sie inkonsequent umgesetzt wurde: Ramos spielte nämlich de facto nicht im Angriff, sondern auf der Raffael-Position (auch weil der Brasilianer heute fehlte).

Friend war ganz vorne wirkungsloser denn je. Aus der Vorsaison könnten wir noch wissen, dass Ramos am effektivsten ist, wenn er ganz vorn spielt - er schoss genau in dieser Saisonphase seine meisten Tore, im Winter holten Preetz und Funkel dann Gekas, den Rest wissen wir.

Nun wiederholt Babbel diesen Fehler, dabei hätte heute eine andere Aufstellung mehr Sinn gemacht: Ramos ganz vorn, Djuricin auf der "falschen 9", Schulz rechts, und Ronny links. Dass das besser funktioniert hätte, kann ich nicht beweisen, aber wir haben ja gesehen, was Friend heute gezeigt hat.

Zehn Minuten vor dem Ende raubte Sejna der Mannschaft dann die letzte Chance auf eine konzentrierte Schlussoffensive, als er einen Ball, den er einfach hätte wegschlagen müssen, außerhalb des Sechzehners souverän ins Toraus geleiten wollte, dabei kam er aber in Bedrängnis, er musste dann die Hand zu Hilfe nehmen - Rote Karte.

Weil Babbel da schon drei Mal ausgetauscht hatte, gelangte die individuelle Rückwärtsbewegung von Fabian Lustenberger im Team der Hertha (vom defensiven Mittelfeld in die Innenverteidigung) an ihr konsequentes Ende: Der Schweizer spielte den Rest der Begegnung im Tor und hielt im Stil eines Liberos den Kasten leer.

Hertha steckt jetzt im Pulk der Aue-Verfolger auf Platz 5, verloren ist noch gar nichts, aber die Indizien häufen sich, dass Coach Babbel der Mannschaft im Lauf des Semesters keine Identität angeboten hat, mit der sie leben kann. Die einschlägigen Vokabeln ("Gier") können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hertha kein System hat, das sie im Moment spielen kann.

1 Kommentar:

Enno (hertha-blog) hat gesagt…

1860 hat um die 60% der Zweikämpfe gewonnen. Soviel zur Aussage Babbels, die Einstellung hätte gestimmt...