Zu der Angelegenheit des Flash Mobs im Olympiastadion letzten Samstag melden sich inzwischen ein bisschen zu viele Leute zu Wort. Dass Polizeifunktionäre, die sicher nicht im Stadion waren, jetzt "Geisterspiele" verlangen, ist öder Populismus. Ich glaube, ich habe relativ genau hingesehen, und was ich gesehen habe, war: die Fans schwärmten ohne konkrete Agenda in Richtung Kabinenzugang, sie hatten Fahnenstangen in der Hand, viele waren vermummt. Gewalt gegen Ordner oder Polizisten habe ich nicht gesehen, es ist auch in den Berichten nicht die Rede davon. Bleibt der Vandalenakt mit der Trainer- und Ersatzspielerbank, die als Ersatzobjekt traurige Symbolkraft auf zahlreichen Montagszeitungen bekam.
"Auf die Fresse" war angeblich die Parole, das klingt brutal, ich lese es aber als Zeichen der Ohnmacht: Die Hertha bietet einfach keine satisfaktionsfähige Appellationsinstanz im Moment. Was die Fans tatsächlich getan hätten, wenn sie zu Arne Friedrich und Friedhelm Funkel durchgedrungen wären, will ich mir nicht ausmalen müssen - zum Glück kam es nicht so weit, und um dies zu verhindern, bedurfte es keiner Gewalt. Ich weiß, dass es im inneren Kreis der Fans auch solche gibt, die nach Gelegenheiten suchen, um Böller knallen zu lassen und generell die zivile Fankultur, die bei der Hertha vorherrscht, aufzumischen. In einem proppenvollen Regionalexpress nach Cottbus habe ich einmal entsprechende Strategiegespräche mitgehört, beim Auswärtsspiel vor einem Jahr war das, da gab es dann auch tatsächlich Zoff im Herthablock, und Patrick Eberts Geste des Unverständnisses nützte da auch nichts.
Aber ich will das einfach nicht mit den großartigen Auftritten der Ostkurve gerade auch "on the road" verrechnen müssen - die Randale von Samstag (mit vielleicht zwei Böllerschüssen) war falsch, aber man kann in Deutschland auch weiterhin ohne Angst zum Fußball gehen. Der wahre Schaden erwächst der Hertha ohnehin erst aus den Fotos, den Schlagzeilen, aus der sekundären Medienwahrnehmung des Ereignisses: Hier akkumuliert sich die Sachbeschädigung zu Vereinsschädigung, aber daran denkt natürlich keiner, der sich gerade von seinem Club verraten fühlt und voller Adrenalin und Alkohol gerade den Graben überquert.
Michael Preetz hat von "deeskalierendem Verhalten" der Ordner gesprochen, das wird ihm fast durchweg als Euphemismus ausgelegt, dabei hat er in der Sache recht. Im Stadion ging die Sache glimpflich aus, man muss sie jetzt nicht mit aller Gewalt zu einem "casus belli" machen.
1 Kommentar:
danke, danke, danke!
irgendwie tragisch, daß dieser verzeihbare vorstoß mindestens 2 parteien in die karten spielt:
der verein kann von seinen eigenen unzulänglichkeiten mit dem finger auf andere zeigen.
die polizei kann fans noch einfacher kriminalisieren und am auswärtsfahrer noch repressiver "großeinsätze" üben. gefährlich sind rädelsführer wie rainer wendt in den reihen der polizei.
ein sehr lesenswerter artikel dazu aus dem rund-magazin von 2006:
http://www.rund-magazin.de/cmsms/news/299/76/Fan-Repressionen/
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