Montag, März 29, 2010

Abseitsfalle

Das CL-Finale 2004 ist nicht als Höhepunkt dieses Bewerbs in Erinnerung. Der FC Porto gewann damals gegen den AS Monaco mit 3:0, heute wird das Spiel unter den taktischen Meisterleistungen von José Mourinho unter ferner liefen geführt. Ich denke aber immer noch gelegentlich an einen Moment, in dem alles anders hätte kommen können: Monaco spielt nach ungefähr einer faden halben Stunde einmal einen gefährlichen Pass in die gegnerische Viererkette, Morientes startet exakt rechtzeitig und wäre eigentlich durch gewesen - aber der Linienrichter entschied auf Abseits, die Entscheidung war falsch.

Enge Spiele werden durch definierende Momente entschieden, oft ist es das erste Tor, nicht selten aber auch das erste Tor, das nicht fällt. Dass der Treffer von Gekas am Samstag nicht gezählt hat, ist sehr ärgerlich, obwohl mir der Abstaubergeist eigentlich missfällt, der dahinterstand. Wesentlich aber ist die Geschichte ähnlicher Entscheidungen, die Hertha inzwischen zu tragen hat (und viele Clubs können vergleichbare Geschichten erzählen). Der immer noch wegweisendste dieser Momente liegt bald ein Jahr zurück. Hertha spielt in der vorletzten Runde der Liga gegen die mäßig engagierte Elf von Schalke 04. Einmal in der ersten Halbzeit ist Pantelic durch, er versenkt den Ball, der Linienrichter entscheidet auf Abseits, er liegt falsch!!!!!

Man kann mit guten Gründen argumentieren, dass dieser Irrtum die ganze folgende Saison der Hertha mitbestimmt hat - es ist eine Argumentation im Potentialis, die mich aber trotzdem beschäftigt, weil mich am Fußball ja vor allem die langen, gewundenen, häufig kaum nachvollziehbaren Kausalketten interessieren, das Epische, das Element Sim City.

Die Abseitsregel lässt das Spiel erst so richtig anspruchsvoll werden, und gerade deswegen muss darüber nachgedacht werden, wie sie der Willkür der Unparteiischen im Zweifelsfall entzogen werden kann. Denn tendenziell wird in mit natürlichem Auge uneindeutigen Fällen nicht nur (gegen die Regel) gegen die Angreifer entschieden, sondern auch gegen die "kleinere" Mannschaft - das kann ich statistisch jetzt nicht erhärten, da habe ich nur meine individuelle Empirie aus vielen Jahren.

Der Klose-Treffer neulich gegen Fiorentina ist nur ein besonders flagrantes Beispiel für Entscheidungen, bei denen der Nimbus von Mannschaften mitzuspielen scheint. Aus all diesen Gründen denke ich, dass die Idee eine gewisse Plausibilität hat, dass jedes Team einmal pro Halbzeit (oder vielleicht wirklich nur einmal pro Spiel) eine Entscheidung anfechten dürfen sollte. Das läuft auf den Fernsehbeweis hinaus, für den ich unbedingt bin, aber eben nur unter der Voraussetzung, dass das Spiel nicht in Sequenzen zergliedert werden darf wie beim Basketball. Deswegen muss der Videobeweis sparsam eingesetzt werden.

All das schreibe ich nicht nur, weil sich viele Berliner verpfiffen fühlen, aber auch ich stehe unter dem Eindruck einer Situation, in der die Hertha viel zu lange eigene Fehler gemacht hat, um nun auch noch die von Unbeteiligten verkraften zu können.

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