Der VfL Wolfsburg muss das Weiterkommen in der Europa League ganz schön heftig gefeiert haben, denn selten hat man so eine kaputte Truppe in einem Bundesligaspiel gesehen wie gestern, drei Tage später, im Heimspiel gegen Hertha. Das Spiel endete mit 5:1 für die Gäste, und mit Rufen aus dem Berliner Fanblock: Hoeneß raus.
Diese Ironie hat mich besonders befriedigt an einem Abend, an dem fast alles perfekt lief für die nun nicht mehr ganz so hoffnungslos da stehende Mannschaft von Coach Funkel. Zum ersten Mal seit langer Zeit stand eine überzeugende Mannschaft zur Verfügung, aus der ich vor allem den Mittelfeldblock herausheben will: Lustenberger, Cicero und Kacar trugen zu einem 4-3-3 (oder 4-3-1-2) bei, dem Wolfsburg gestern nichts entgegenzusetzen hatte.
Zudem widerlegte Gekas gestern erstmals seine Kritiker (also auch mich) durch intensivere Teilnahme am Spiel und durch drei Tore, die nicht jeder schießt. Trotzdem ist das Caveat wichtig: Es war ein Sieg gegen die nunmehr schlechteste Defensive der Liga.
Den Charakter des Spiels verrät vor allem eine Passage nach der Pause, als eigentlich eine Reaktion von Wolfsburg zu erwarten gewesen wäre (Grafite hatte vor der Halbzeit einen Treffer gegen zwei von Gekas und einen von Ramos aufgeholt). In dieser Phase hatte Hertha eine unbehelligte Ballkontrolle, die an den FC Arsenal denken ließ, und die als solche natürlich nicht nur dem Sky-Reporter als absurdes Theater erscheinen musste.
Das dritte Tor von Gekas (zum 4:1) war dann nicht nur vorentscheidend, es war auch exzellent gemacht, die kleine Korrektur, die der Grieche da an der Bewegung des eigentlich schon wegkollernden Balls vornimmt, bevor er ihn versenkt - das hatte Klasse. Und Ramos setzte dann noch einen drauf gegen Madlung, auch das tat gut.
Ob im Training eigens an der Beseitigung des Schismas zwischen den Südamerikanern und dem Rest der Truppe gearbeitet wurde, oder ob gestern einfach das Zusammenspiel besser klappte, weil es Räume gab, die es so nie wieder geben wird, kann ich nicht sagen. Für meine Begriffe gab es nie ein Passembargo gegenüber Gekas, er war einfach strukturell zu weit weg von einem Offensivspiel, das selten dorthin nach vorn kam, wo er wartete.
Gestern taten sich Laufwege und Passoptionen sonder Zahl auf, und Cicero genoss den Abend sichtlich. Die Fans blieben friedlich, am Ende war die Stimmung versöhnlich und angemessen nüchtern.
Drei Aussagen ergeben einen Kontext für die nächsten Wochen. Marcel Reif formulierte es so: Irgendeine fußballgöttliche Instanz hat der Hertha noch einmal "was ganz Verrücktes in die Hand gegeben - jetzt muss sie auch was daraus machen".
Dieter Hoeneß hatte vorher exklusiv vermeldet, dass die Hertha "jeden in der Liga schlagen" kann (das wird sie jetzt auch tatsächlich können müssen, wenn sie noch einmal auf den Klassenerhalt spielen will).
Die besten Worte fand Michael Preetz, der mich Woche für Woche mit Intelligenz und Wortgewandtheit beeindruckt: Er wies darauf hin, dass die Hertha in der Rückrunde keinem einzigen der drei Auswärtssiege einen Heimsieg folgen lassen konnte, und dass sich daran erweisen wird, was von dem Spiel in Wolfsburg zu halten sein wird.
Am Samstag kommt der BVB ins Olympiastadion, derzeit eines der formstärksten Teams der Liga und allem Anschein nach auch konzeptuell ein paar Niveaus über der Hertha. Das wird ein Spiel, das nun doch noch einmal an Interesse gewonnen hat. Das Personal für einen Sieg hat die Hertha, ob sie auch die Substanz, den Willen, die Leidenschaft und die Ruhe hat, wird sich zeigen.
Ceterum censeo dass Coach Funkel auch im Falle des Nichtabstiegs zurücktreten sollte.
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