Montag, September 28, 2009

Hochrechungen

Das 1:5 der Hertha am Sonntagabend in Hoffenheim habe ich nicht vollständig, aber in allen wesentlichen Teilen gesehen - dass wir zwischendurch zu den politischen Hochrechnungen geschaltet haben, fiel mir umso leichter, als das Fußballspiel nach wenigen Minuten entschieden schien. Es hatte mehr als nur einen Hauch des Schicksalhaften, wie Ibisevic nach 44 Sekunden schon das 1:0 für Hoffenheim machte. Zugleich war es ein Schulbeispiel für einen Hertha-Gegentreffer in dieser Saison: Ein Fehlpass in der Vorwärtsbewegung lässt die zwei, drei mehr oder weniger beteiligten Herthaner stutzen; Hoffenheim wirft ein, zieht mit der linken Mannschaftshälfte nach vorn, die Flanke zwischen die Innenverteidiger wird nicht verhindert, Bengtsson und Friedrich suchen nach ihrer Zuständigkeit, Ibisevic trifft die Kopfballvorlage perfekt, und der neu verpflichtete Berliner Torwart Ochs fliegt, streckt aber die Hände nicht aus.

Das nennt man Verkettung von Umständen oder kollektives Versagen, auf Seiten des Gegners spricht man von Spielfreude und perfektem Offensivfußball. Deprimierender waren noch die Gegentore drei und vier, die sich in geradezu epischem Tempo entwickelten und zahllose Möglichkeiten boten, zu intervenieren; das zweite (nach einem Eckball) und das fünfte (nach einem Foul von Stein im Strafraum) fielen aus Standards.

Dass die Hertha zwischendurch auch andeutete, dass sie sich vielleicht in dieses Spiel hätte hineinarbeiten können, dass Raffael das Engagement eines Führungsspielers an den Tag legte, war gegenstandslos angesichts der Tatsache, dass defensiv der Offenbarungseid geleistet wurde und dass Coach Favre zur Pause gar nicht erst versuchte, mit Kacar (für den wieder einmal überforderten Dardai) mehr Druck und Geschlossenheit zu erzeugen. Der einzige Hoffnungsträger wurde in Reserve gehalten für eine äußerst ungewisse Zukunft, die aber zugleich ganz konkret ist: Sporting Lissabon am Donnerstag, der HSV am kommenden Sonntag im Olympiastadion.

Das eigentliche Schlüsselspiel wird jedoch erst am 17. Oktober stattfinden, wenn Hertha in Nürnberg auf einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf trifft. Ein kleiner Vorteil des gestrigen Desasters könnte darin liegen, dass Arne Friedrich wohl definitiv ein Auftritt mit der Nationalelf auf dem russischen Kunstrasen erspart bleiben wird - der Hertha-Kapitän sollte die Länderspielpause unbeschadet überstehen und insgesamt Motivation aus der Tatsache ziehen, dass Jerome Boateng in Hamburg eine sehr gute Saison spielt und Friedrich gut möglich noch ganz aus dem Kader für Südafrika 2010 kippen könnte.

Diese Nebenaspekte wie auch die Tatsache, dass Hoffenheim das Spiel über die Seite mit ihrem als disponibel erachteten Exspieler Janker gewann, verleihen dem Schicksalhaften, das im Moment über Hertha hereinbricht, eine zynische Note. Aber sie hat sich selbst exponiert, hat mit dem lauf- und denkfaulen Auftritt gegen Hannover eine Marke für die Saison gesetzt, und taumelt jetzt dem Abgrund entgegen.

Ob ein Trainerwechsel hilft? Ich warte heute einmal ab, was aus der Hanns-Braun-Straße verlautet. Coach Favre hat sich jedenfalls mit seinem neuerlich absolut hilflos wirkenden Auftritt vor der Kamera keinen Gefallen getan. Wenn er sich schon stellt, dann muss er auch eine Idee von Kompetenz vermitteln, muss er andeuten, wie er diese Defensive für Petric, Trochowski und Elia zu rüsten gedenkt. Die Naivität der Mannschaft verdoppelt der Trainer im Umgang mit den Medien. Wie das hochzurechnen ist, müsste auch Michael Preetz einzuschätzen wissen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Schön zu lesen, aber traurigen Inhalts, diese Bulletins über das langsame und irgendwie würdelose Dahinsiechen einer alten Dame.
Ich wünsche allen Anschein zum Trotz gute Genesung.

PS: Vielleicht könnte irgendwer - Michael Preetz war ja damals dabei - die Rezeptur aus der Saison 97/98 zur Anwendung bringen. Da lag die gute Frau ja auch schon in Agonie und wurde im Verlauf der Saison wieder springlebendig.

Hermann