Donnerstag, September 24, 2009

Vertrauensvorschuss

Hertha ist gestern wieder einmal früh aus dem DFB-Pokal ausgeschieden: 1:4 im Elfmeterschießen beim TSV 1860 München. Fast eine Stunde lang sah alles danach aus, dass die desolate Lage sich noch verfestigen würde, zuerst patzte Burchert schon in der 10. Minute bei einem Corner (Folge: ein Eigentor von Bengtsson), kurz nach der Pause zeigte der junge Schwede, dass er bei Reaktionsschnelligkeit und Zweikampfverhalten eine Menge zulegen wird müssen, um auf Dauer eine Option für die Viererkette zu werden. Es stand also 0:2, allerdings waren zu diesem Zeitpunkt auch schon Pisczek (für Ebert) und Kacar (für Cicero) auf dem Platz, und als dann noch Domovchyiski (für Raffael) kam, nahm eine Mannschaft das Spiel an, die deutlich konkurrenzfähiger ist als die Hertha der vergangenen Wochen. Plötzlich wirkte sogar Nicu aggressiv, Pejcinovic ging in die Offensive, Janker suchte die Position für Flanken.

Das alles, weil Kacar die Räume schuf und Pisczek ein Flügelspiel initiierte. Innerhalb von vier Minuten schafften Ramos und Domovchyiski den Gleichstand, danach und in der Verlängerung gab es noch eine Reihe sehr guter Gelegenheiten, aber wie es eben so ist: Den letzten Punch fand die Hertha dann doch nicht mehr an diesem Abend.

Und für das Elfmeterschießen zeichnete sich die Erzählung schon während des Spiels ab, weil nämlich Gabor Kiraly, als Keeper der Hertha noch in guter Erinnerung, gestern aber eben auf der Gegenseite sich mächtig zwischen den Posten aufpflanzte. Burchert gegen Kiraly, Jungspund gegen Fahrensmann, so sah die Konstellation für das Elfmeterschießen aus, in dem sehr schnell klar wurde, wohin die Reise für die Hertha ging: zurück nach Berlin, aber eben nicht "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin". Kacar schoss schwach, vielleicht auch deswegen, weil Kiraly seinen Schuss in provozierender Intellektuellengeste, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, erwartete. Janker wollte alles besonders richtig machen und jagte den Ball über das Tor. Das war nicht mehr aufzuholen.

Die Spieler müssen sehr enttäuscht gewesen sein, denn in der Berliner Fankurve war danach ein einsamer Arne Friedrich zu sehen, der auführlich und im Detail mit einzelnen Fans zu diskutieren schien. (Interessante Szene auch nach dem Ausgleich: Der Kapitän rannte zur Bank, zu Preetz und Favre, um etwas zu besprechen, das ihm sehr wichtig schien - was wohl?)

Ich nehme aber eindeutig das Positive von dem gestrigen Abend mit - es gibt vielleicht doch noch eine Mannschaft in diesem Kader. Ich hoffe stark, dass der Coach die Lektionen von gestern beherzigt. Das betrifft erstens die Viererkette: Sie sollte jetzt einmal eine Weile in dieser Konstellation (Pejcinovic-Bengtsson-Friedrich-Janker) spielen, die Alternativen sind ohnehin gering, und fehleranfällig ist sie in jeder Zusammenstellung.

Zweitens hat Ramos gestern auch durch sein Defensivverhalten angedeutet, dass er eine Verstärkung sein kann, allerdings nur dann, wenn neben ihm mit Domovchyiski ein weiterer torgefährlicher Mann spielt. Ich würde also Raffael eine Pause gönnen, bis sein Arm wieder voll belastbar ist, und vorläufig einmal dem Bulgaren und dem Kolumbianer einen Vertrauensvorschuss einräumen. Wichniarek wird zum Standby-Profi. Dazu Nicu oder Ebert und Pisczek auf den Flügeln, und Dardai (wohl oder übel) sowie Kacar in der Zentrale. Cicero soll sich regenerieren, man muss mit ihm über Spielbeschleunigung sprechen und auch über Robustheit.

Das alles macht noch keine Spitzenmannschaft, könnte aber zumindest die Ligareife wiederherstellen, alles Weitere muss sich von Spiel zu Spiel weisen. Der HSV (nächster Gast im Olmpiastadion) hat gestern in Osnabrück auch ein Elfmeterschießen verloren, Leverkusen hat in Kaiserslautern verloren, es sind also auch Spitzenmannschaften der Bundesliga gegen unterklassige Teams ausgeschieden.

2 Kommentare:

corvinplutarco hat gesagt…

Ja, ich glaube der letzte Apekt bringt die Sache auf den Punkt. Andere vermeintlich bessere Mannschaften patzen ebenfalls. Hertha fehlte einfach gestern ein wenig Präszision, jene, die in der vergangenen Spielzeit noch den einen oder anderen knappen Sieg verursachte.

Anonym hat gesagt…

Die Begebenheiten des Pokalspiels finde ich wieder ansprechend in eine fortlaufende Entwicklungsbeschreibung eingearbeitet. Wie ich neulich schrieb, halte ich die Hertha weder für eine Spitzenmannschaft noch für eine aussichtsreiche Bewerberin um den Abstieg. Vor teleologischen Extremen bewahrt, wenn man des immensen Einflusses von mentaler Verfassung und Augenblicksereignissen gewärtig bleibt. Die frühen demoralisierenden Gegentore gegen Freiburg und 1860 kamen sicherlich nicht völlig zufällig zustande und sprachen insofern für die vermutete Entwicklungsrichtung. Aber sie werden sich nicht auf ewig wiederholen. Vielleicht hilft dabei der Ochs.