Freitag, September 25, 2009

Höflichkeitsform

Früher habe ich noch gelegentlich etwas in ein volles Stadion hineingerufen. "Didi, tua was" ("Dietmar, mach etwas") war eine meiner Parolen, wenn Dietmar Kühbauer vor der Nordtribüne des Hanappistadions auftauchte und der SK Rapid Wien gerade ein wenig am Stottern war. Manchmal rief ich auch "Horsti, tua was", aber der angesprochene Horst Steiger kam über die Ansätze eines großen Talents nie hinaus und starb jung bei einem Verkehrsunfall.

Nie wäre es mir eingefallen, meine Aufforderungen in der Höflichkeitsform vorzutragen. "Herr Kühbauer, strengen Sie sich an", oder, wie man in Wien wohl sogar eher sagen würde: "Herr Kühbauer, strengen Sie sich Ihnen an" - das hätte blöd geklungen. Im Fußball sind die Menschen per du, alles andere ist ein Interview vor laufender Kamera oder eine spezielle Situation.

Von Coach Favre wissen wir, dass er seine Spieler siezt. Die auf Kampagnen spezialisierte Zeitung, für die Philipp Lahm Werbung macht, hat neulich sogar ein Zitat aus der Kabine überliefert: "Herr Ebert, wenn Sie nicht verteidigen, muss ich Sie rausnehmen." Diese Drohung klingt deswegen glaubwürdig, weil Lucien Favre sie in München wahr gemacht hat - er hat Ebert aus dem Spiel genommen, was sich als richtig erwies und doch irgendwie auch den Falschen traf, denn Patrick, wie ich ihn hier vom vertrauten Fuß des langjährigen Ebert-Fans aus nenne, bemüht sich ja doch immer recht inständig, wenn auch nach hinten nicht immer recht glücklich.

Wie Favre mit der Mannschaft spricht, ist nicht ohne Belang gerade in einer Phase wie jetzt, wo er nicht viel Zeit hat, um an der Taktik zu arbeiten oder Grundsätzliches zu üben. Er hat nur zwei Möglichkeiten: aus der Schar der verunsicherten Spieler die herauszusuchen, von denen am meisten zu erwarten ist, und zweitens die Spieler irgendwie dazu zu bewegen, dass sie jene Veränderung ihrer Einstellung an sich vornehmen, für die es im Fußball nur Verlegenheitsformeln gibt ("den Schalter umlegen", "den Knoten platzen lassen", "die Leistung abrufen" - von wo eigentlich?).

Er muss, wie man wiederum in Österreich sagt, eine Ansprache finden. Er muss sich verständlich machen, und zwar nicht nur intellektuell. Vieles deutet darauf hin, dass das nicht seine Stärke ist, und die Unstimmigkeiten mit Hoffnungsträgern (Ebert, Domovchyiski, Raffael, ...) haben vermutlich in diesem klassischen Hochmut des Theoretikers ihren Ursprung. Favre muss jetzt so konkret wie möglich werden. Er sollte der Hertha das "du" anbieten - oder aufdrängen.

1 Kommentar:

Gerald Hoedl hat gesagt…

Bert, Du bist schon lange nicht mehr in Wien, oder? Des hasst:"Herr Kühbauer, strengans Ihnen an!"
Herzlich Gerald