Samstag, August 20, 2011

British Sounds

Ich habe einen Verlust zu beklagen. Nein, ich meine nicht den von Cesc Fabregas, der von Arsenal zu Barcelona gewechselt ist. Damit war ich einverstanden, ich wünsche ihm alles Gute. Mir fehlt etwas Grundsätzlicheres, Unmittelbareres. Wenn heute der FC Liverpool ins Emirates Stadium kommt, um gegen Arsenal zu spielen, dann werde ich in der Übertragung von Sky den englischen Kommentar vermissen.

Die Zwei-Kanal-Option mit Wahlfreiheit wird seit der neuen Saison nicht mehr angeboten, "zu den genauen rechtliche Hintergründen dürfen wir keine Auskunft geben". Kommentiert werden die Premier-League-Spiele nun von mäßig kundigen, fernab des Geschehens in einer Kabine mutmaßlich in Unterföhring sitzenden Sky-Mitarbeitern des zweiten Aufgebots.

Für mich bedeutet dies einen Verlust an Lebensqualität, der schwer zu beschreiben und sicher nicht für alle nachvollziehbar ist: denn der Sound der Premier League hat bei uns ganze Wochenende und Jahreszeiten (Weihnachten und Neujahr) geprägt. Auch die Spiele, die ich nicht genau beobachtet habe, liefen zumindest mit, und diese sonore Melodie im Hintergrund, die brillante Feinabstimmung von immer zwei Stimmen, die Leidenschaft und zugleich Gelassenheit in der Spielbeobachtung, das wird nun fehlen. No more Martin Tyler. No more David Pleat.

Stattdessen Toni Tomic. Ich habe in der Angelegenheit sogar eine Mail an die Premier League geschrieben, auf die ich überraschenderweise Antwort bekam, allerdings keine, die in der Sache etwas geändert hätte (hatte ich auch nicht erwartet, es ging um's Prinzip).

Was für mich nicht zuletzt eine Frage der unmittelbaren Teilhabe am englischen Spiel ist, ist für den deutschen Fußball-Journalismus aber auch ein weiterer Schritt in die Provinzialisierung. Sky hat ja nicht nur den englischen Kommentar gestrichen, sondern auch Spiele (es gibt nur drei aus der PL pro Wochenende), das heißt, dass der internationale Fußball in den vergangenen Jahren enorm reduziert wurde.

Ausgebaut wurden stattdessen "Shows" mit Prominenten, die nicht einmal für das Dschungelcamp in Frage kämen, und "Expertenrunden", in denen gefühlt jeden Tag viermal Franz Beckenbauer auf Fritz von Thurn und Taxis trifft. Man kann es also so sagen: Der deutsche Bezahlsender mit dem größten Fußballangebot marschiert ausgerechnet zu einer Zeit, da der deutsche Fußball sich wieder Weltniveau annähert, in die innere Emigration der eigenen Beschränktheit auf das ewige "das Tor können wir uns ja noch einmal anschauen".

Selbst das ZDF weiß mehr von Spielanalyse als das ganze Sky-Prekariat, das sich hinter den paar "Stars" verdingen muss, um nicht ausschließlich bei Sport 1 Gewinnspiele in Europa-League-Matches hineinzumoderieren. Aber Sky unterscheidet sich ja auch auf dieser Ebene kaum noch von einem Privatsender: Werbung sickert durch alle Fugen in die Übertragungen. Wer da noch von einem "Premium Produkt" sprechen will, macht sich lächerlich. Allerdings ist die Sache nicht zum Lachen. Es ist eine große Verarschung, wie so vieles in unserer gegenwärtigen Welt.

4 Kommentare:

Enno, Sportblogger a.D. hat gesagt…

Deutliche Worte. Ganz zurecht, wie ich finde. Gepaart mit ein paar ganz brillanten Formulierungen, bei denen ich mich gar nicht entscheiden kann, welche ich besser/passender finde. Aber ich glaube, das "Sky-Prekariat" ist mein Favorit.

marxelinho hat gesagt…

EPL bei Sky 2011 ist, wenn dem Kommentator Oliver Faßnacht bei einer Arsenal-Einwechslung die Zettel durcheinander kommen, wenn er einen Spieler wie Ignasi Miquel ganz offensichtlich noch nie gesehen hat, wenn er das Match ganz generell nicht auf der Höhe der Fans (geschweige denn der Vorgänge) bespricht, und wenn dabei der Stadionton so weggemischt wird, als käme er vom Mond. Anno 1969.

Oliver Blinda hat gesagt…

Ein super Kommentar zu dem Thema. Ich kann das sehr wohl nachvollziehen mit dem englischen Kommentar. Es ist eine eigene Soundlandschaft. Und an Weihnachten geht es mir ganz genauso. Boxing Day Übertragungen mit englischem Feeling werden fehlen. Ich hatte das noch garnicht gemerkt mit dem Kommentar. Schlimme Sache.
Und ich finde SamstagLive auch grausam. ABM für Oliver Pocher und Jessica. Oh Mann. Der Hund ist süß. Wenigstens das.

junichi hat gesagt…

Ich hatte vor ewigen Zeiten mal Premiere und war besonders beeindruckt von der Möglichkeit des Stadionsounds. Wenn ich mich recht entsinne, konnte man zwischen englischem und deutschen Kommentar wählen oder eben den Stadionsound einschalten. Dabei gab es keine Stimme, sondern das pure Stadionfeeling. Wurde aber schon lang abgeschafft. Dass jetzt sogar die englischen Kommentare abgeschafft werden, ist ein ziemlicher Witz. Ich empfand Wolf Fuss immer als einen kompetenten Kommentator für den englischen Fußball, aber von der Qualität gibts ja praktisch keine weiteren.

Grüße, und mach weiter so mit diesem feinen Blog