Sonntag, April 11, 2010

Handtuch


Es war eine ganz besondere Stimmung, mit der gestern das Heimspiel gegen den VfB Stuttgart begann: Die Ostkurve leer, die im restlichen Stadion verteilten Fans im Bewusstsein einer besonderen Verantwortung, die Mannschaft willens, die Chance auf den Klassenerhalt zu erhalten, ja zu verbessern. Ich kann mich nicht erinnern, einmal so bewegt gewesen zu sein im Olympiastadion wie gestern beim Anpfiff, und ich glaube, da hat sich schon etwas auf mich übertragen, was allgemein da war - ein kostbarer Fanmoment, der dann allerdings nur eine Halbzeit lang anhielt.

Wir sahen gestern eine engagierte, gute Mannschaft, die aber gegen eine selbstbewusste, kompakte Mannschaft an ihre Grenzen stieß und schließlich 0:1 verlor - unglücklich, aber auch irgendwie stimmig.

Individuell konnten gestern vor allem Ramos, Kacar und Piszczek die Qualität nicht finden, die es gegen eine Topmannschaft braucht (alle vier Rückrundensiege der Hertha gelangen ja gegen Mannschaften, die zumindest am Spieltag sehr schlecht waren). Dazu kommt, dass Gekas (den allerdings auch die schon fast obligate falsche Abseitsentscheidung traf) wieder einmal eine Vorgabe war.

Unwillkürlich musste ich gestern an Pantelic denken, der ein Typ wie Gekas ist, allerdings plus Laufarbeit und Spielintelligenz - leider war das wirklich eine wegweisende Entscheidung, diesen Vertrag nicht zu verlängern, denn nun haben wir eine schwache Pantelic-Parodie als zentralen Angreifer, und wir müssten Gekas dann auch noch zwei Jahre durchfüttern, wenn der Abstieg noch verhindert werden könnte.

Geht noch was? Die Mannschaft machte nach dem Gegentreffer durch Cacau nicht den Eindruck, aber wenn es Coach Funkel gelingt, sie gegen Frankfurt noch einmal zu mobilisieren, ist trotzdem noch nicht alles verloren. Es würde dann eben notwendig sein, Schalke zu schlagen (wie es Hannover gestern gelang), dafür müssten allerdings alle, auch Gekas, die Funkel-Devise ("90 Minuten Volldampf") auch wirklich einlösen.

Nach der torlosen ersten Halbzeit machte sich gestern im Stadion das Fehlen der Ostkurve doch deutlich bemerkbar, das Spiel begann auszurinnen wie die ganze Saison, und es zeigte sich, dass das Hertha-Spiel in schwierigen Momenten etwas Entropisches hat - es gelingt ihr dann nicht, den Willen zuzusetzen (ohne die Geduld zu verlieren), der ein Spiel auf eine andere Ebene heben kann. Dieser Mangel an "spirit" ist ein Konstruktionsfehler in der Mannschaft, der immer noch auf Favre zurückgeht, den aber der gerade darauf "spezialisierte" Funkel nicht behoben hat.

Im Fußball ist es nicht üblich, das Handtuch zu werfen - die Einwechslung von Artur Wichniarek zehn Minuten vor Ende gestern hatte allerdings beinahe schon den Charakter dieser Geste. Wichniarek ist das "missing link" zwischen Pantelic und Gekas, damit zwischen der Hertha, die im Vorjahr gerade auf ihre Peripetie zusteuerte, und die nun vor dem Abstieg steht. Mit Pantelic wäre das nicht passiert, aber vielleicht findet diese Mannschaft ja doch noch im nun wirklich allerletzten Moment den Geist, der auch gegen Widerstände besteht.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hertha täte sicher gut daran, das Werfen des Handtuchs um noch wenigstens eine Woche zu verschieben. Denn die Eintracht könnte sich, da sie seit Freitag von Hoffnungen auf das europäische Geschäft weitgehend befreit sein dürfte, gleichzeitig aber auch nicht mehr viel zu verteidigen oder verlieren hat, als dankbarer Gegner für die Berliner erweisen. Hannover hat zwar in Hamburg endlich begonnen, den Abstiegskampf zu begreifen, angesichts ihres Restprogramms kam diese Wende jedoch möglicherweise zu spät.