Samstag, April 24, 2010

Ruhender Ball

Es sagt viel über die vermaledeite Saison aus, dass ich mir inzwischen manchmal vorzustellen versuche, wie sie mit Lucien Favre weitergegangen wäre. Ich weiß noch genau, dass damals alles für eine Ablöse sprach, aber die Bilanz von Funkel ist so ernüchternd, dass Gedankenspiele unabweislich werden.

Heute kommt Schalke, wie vor fast genau einem Jahr auch. Damals wie heute hilft nur ein Sieg, die Umstände haben sich grundsätzlich verändert, aber nicht wenig ist auch gleich geblieben. Zum Beispiel kann man den Unterschied zwischen Schalke (Titelaspirant) und Hertha (Abstiegskandidat) an einem Detail festmachen, das in Berlin noch nie sonderlich zu interessieren schien: der ruhende Ball ist anscheinend unter der Würde sowohl von Favre wie von Funkel.

Zwar gab es zwischendurch einmal Ansätze zu verbesserten Ecken, inzwischen ist der alte Trott aber wieder da, die Standardsituationen bleiben ungefährlich, es sei denn, Cicero findet ausnahmsweise eine Lücke in der Mauer eines desolaten Gegners wie Köln.

Schalke hat aus gewissen Konstellationen (scharfer, niedriger Freistoß auf den kurzen Posten, Höwedes verwertet - eine Situation, die nicht von ungefähr manchmal als "unverteidigbar" bezeichnet wurde) ein Markenzeichen seiner Kampagne gemacht. Hertha hat keinen gefährlichen Freistoßschützen (auch wenn Cicero sich wohl dafür hält), und die Corner werden von Kobiashvili (von links) und Raffael (von rechts) so geschossen, dass sie sich vom Tor wegdrehen (wenn sie nicht noch im Flug schon ins Out gehen, wie es Raffael auch unterläuft).

Ich weiß, dass ein Trainer nicht sonderlich viel Zeit mit den Spielern hat, um all das zu üben, was noch nicht sitzt. Trotzdem wundert es mich, wie wenig Augenmerk dem ruhenden Ball gewidmet wird (wenn da was trainiert wird, sieht man es jedenfalls im Spiel nicht mehr).

Gleichzeitig verstehe ich es auch, denn dieser Umstand hängt einfach damit zusammen, dass Hertha von allen Ligamannschaften eine der am schlechtesten "definierte" ist - sie hängt immer schon zwischen verschiedenen Modellen fest, für bestimmte "niedrige Dienste" wie Standardsituationen ist sie sich bis heute zu schade, für die spielerische Spitze ist sie aber auch nicht präzise und konzentriert und selbstbewusst genug.

Eine große Mannschaft muss ohnehin alles können, die Hertha kann von vielem eine Menge, es fehlt ihr aber als Mannschaft oft das entscheidende Etwas: das Wissen, verschiedene Lösungen für verschiedene Situationen zu haben. Gute Standards gehören zu einem variantenreichen Spiel, der Hertha haben sie die längste Zeit gefehlt. Vielleicht sehen wir ja heute einen Gegenbeweis. Auf geht's, Hertha!

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