Montag, April 19, 2010

Augenauswischerei

Gestern hatte ich einen echten Scheißnachmittag. Zuerst kollabierte Arsenal in den letzten zehn Minuten gegen Wigan Athletic, ließ durch reine Passivität ein 2:0 liegen und ging mit 2:3 vom Platz (meine Hoffnungsträger, Nasri und Abou Diaby, ließen wieder einmal aus). Jetzt könnten sogar Tottenham und Manchester City von hinten noch gefährlich werden.

Dann trat Hertha bei Eintracht Frankfurt an, kam über ein 2:2 nicht hinaus, und danach trat noch der (man kann sich die Kollegen ja nicht aussuchen) Hertha-Fan Johannes B. Kerner vor die Kamera des von mir widerwillig abonnierten Bezahlsenders und hielt doch tatsächlich allen Ernstes dafür (in seinen Drüsen stauten sich die Sekrete), dass es eine gute Idee wäre, mit Friedhelm Funkel in die zweite Liga zu gehen. Dies zur Expertenkultur bei dem Sender, der die deutschen Fußballfans mit Bildern versorgt.

Das Remis, das quer durch das Land als Abstiegsurteil gewertet wird, musste nicht sein, sagt aber viel über die spezifischen Probleme der Hertha im Abstiegskampf aus. Denn sie versuchte es gestern wieder einmal, die Sache mit Qualität zu lösen, mit kontrolliertem Passspiel und geduldigem Aufbau. Es fehlte aber an der Qualität, die ihr einen Vorteil gegenüber Frankfurt (auch nicht ohne jede Qualität) verschafft hätte.

So wurde es ein Spiel, das im Mittelfeld entschieden wurde, zuungunsten von Hertha, die zweimal eine Führung nicht halten konnte. Das erste Tor wies den Weg: drei, vier Mal binnen weniger Sekunden gab es da ein sogenanntes Gestocher um den Ball, knapp in der Frankfurter Hälfte. Am Ende setzte sich ein Herthaner durch, Raffael bekam auf links den Ball, versetzte den vierzigschrötigen Maik Frantz, flankte zur Mitte, wo Cicero auf Kacar ablegte, Kopfball, TOR!

Bald danach aber kam eine Phase, in der Piszczek und Kobiashvili keinen spieleröffnenden Pass mehr zusammenbrachten, der Ball blieb minutenlang in Herthas Hälfte, irgendwann zog Korkmaz die Konsequenz und verwertete zielstrebig ein scharfes Zuspiel zur Mitte. Dann verursacht Lustenberger einen Elfmeter, Schwegler vergibt, Gegenzug Hertha, Ramos tankt sich durch, Raffael verwertet den Abpraller. Pause.

In der zweiten Hälfte sahen wir die älteste mir bekannte Hertha, die Falko-Götz-Hertha seligen Andenkens, eine öde Truppe mit gelegentlichen Talentproben, ein Abwartensemble, das prompt den neuerlichen Ausgleich hinnehmen musste (Russ nach einem Freistoß, den man nicht geben hätte müssen, der aber auch deswegen zustande kam, weil Kobiashvili ein wenig zu faul einen Ball ins Aus gehen lassen wollte, um den Frantz noch kämpfte).

Danach blieb eine halbe Stunde, in der sich zeigte, dass die Nerven natürlich eine Rolle spielen. Es ging nicht mehr viel, am Ende wirkte vor allem Raffael, als wäre er völlig ausgelaugt - er hatte aber auch für zwei, drei Kollegen zu arbeiten gehabt (über den griechischen Leiharbeiter will ich heute schweigen). Der Kabelträger, den der Bezahlsender gestern als Moderator nach Frankfurt geschickt hatte, beschränkte seine Analyse dann auf die hartnäckig fünfmal wiederholte Frage: "Michael Preetz, das war's doch, oder?"

Ich sehe die Sache so: Das war gestern ein Kräftemesse zweier Ligamittelständler, von denen einer zufällig auf Platz 18 steht. Die Hertha hat gespielt, als wäre sie zehnter (und war nervös, als wäre sie achtzehnter). Der Abstiegskampf kann immer noch beginnen. Nächste Woche geht es nun aber endgültig um Alles oder Nichts, und so sollte sie auch spielen.

P.S. Zwei Ergebnisse haben auch an diesem Scheißtag für mich gestimmt: Die U23 von Hertha hat gegen Magdeburg gewonnen und nun wieder gute Chancen im Abstiegskampf in Liga 4 (ja, auch das interessiert mich!). Und die Roma hat Lazio geschlagen und hält Inter weiter einen Punkt auf Distanz in der Serie A.

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