Sonntag, August 09, 2009

Verlegenheit

Darauf haben wir also zweieinhalb Monate mit nagender Ungeduld gewartet: Dass die Hertha sich gegen einen Gegner wie Hannover mehr schlecht als recht bemüht und durch ein spätes Tor von Gojko Kacar gerade mal so mit 1:0 gewinnt. Es war ein schwüler Nachmittag, der Besuch war mit 42169 recht bescheiden, denn ich hätte mir doch gedacht, dass in der letzten Saison einige Leute begriffen haben, dass man erst dann zu einem Fan wird, wenn man sich nicht einfach die tollen Spiele ansieht, sondern eben auch eines wie gestern - mäßig attraktiver Gegner, Badewetter, Urlaubszeit.

Coach Favre hatte plausibel aufgestellt, die einzige Überraschung stellte Pisczcek dar, der Patrick Ebert rechts offensiv verdrängte. Hinter ihm Pejcinovic, links defensiv Stein, davor Nicu. Wichniarek wurde mehr als nur reserviert empfangen, er hatte auch kein glückliches Spiel, in seiner besten Szene wurde er zu Unrecht wegen Abseits zurückgepfiffen. Die Hertha begann dynamisch und mit Flügelspiel, schon nach einigen Minuten spielte Raffael einen Querpass, den Wichniarek knapp verfehlte. Dann aber begann dieses typische Hertha-Phlegma wieder zu wirken, fast alle spielten brav ihren Part, aber kaum jemand versuchte etwas Überraschendes. Cicero war wie so oft damit beschäftigt, sinnlos Freistöße im Mittelfeld herauszuholen, Kacar bot sich selten für die frühe Spieleröffnung an, er spielte die Spur zu weit vorn.

Ich sehe allerdings nicht ein, warum der Kapitän Arne Friedrich mehrmals die Verlegenheitsgeste mit der Hand machen muss, wenn er mit dem Ball am Fuss etwas anfangen soll - es stimmt, da müssen sich mehr Leute in Position laufen, es stimmt aber auch, dass sowohl Friedrich wie von Bergen da deutlich interessantere Dinge versuchen könnten, zumindest ab und zu. Fußball entscheidet sich heute zunehmend dadurch, dass jemand etwas versucht, nicht einfach den naheliegenden Pass spielt, sondern eine Idee hat. Arne Friedrich hat alles das schon einmal gezeigt, als Kapitän muss er mehr in die Spieleröffnung investieren als diese Geste, die in erster Linie den Gegner stärker macht.

Zwischen der 20. und der 70. Minute war das ein mäßiges Spiel. Der Coach stellte nach zwei Dritteln auf 4-3-3 um, er brachte Dardai zentral und nahm Nicu vom Feld, den Unterschied machte aber schließlich erst Edeljoker Valeri Domovchyiski, der zunehmend das Zeug für die erste Elf zu haben scheint: Er düpierte zwei Hannoveraner auf dem linken Flügel, spielte einen schönen Doppelpass und passte flach in den Fünfmeterraum, wo Gojko Kacar aus einem Gestocher heraus des Tor machte.

Mike Hanke vergab noch eine große Chance für H96, aber die Ostkurve sang da schon den Feierabend herbei, und die Mannschaft machte sich schließlich sogar noch auf die große Ehrenrunde, als wollte sie zumindest mit diesem Ritual an das gute Vorjahr anschließen.

Was war negativ? Die Verbindung zwischen Stein/Nicu und Pejcinovic/Ebert ist noch ausbaubar, Laufarbeit und Initiative reichen so gegen maximal ein Drittel der Liga, H96 hatte insgesamt zu viele Chancen.

Was war positiv? Raffael und Kacar haben gezeigt, dass die Verantwortung übernehmen wollen, sie werden mit dem Ball schneller, litten teilweise aber auch unter dem pedantischen Schiedsrichter Winkmann. Die Einwechslungen waren wertvoll, Ebert gehört für mich ohnehin in die erste Elf, und Domovchyiski hatte starke Momente. Pejcinovic deutete mehrmals an, dass er sehr interessant werden kann. Ich übe mich in Geduld.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Pejcinovic war für meinen Geschmack interessant, weil er vor allem in der Offensive bereits in seinem ersten Bundesliga-Spiel einige Akzente setzen konnte. Er ist in der Lage, überraschende Aktionen am Ball zu zeigen und war auch stark im offensiven Mann-gegen-Mann-Spiel. Schwächen hatte er hier und da im defensiven Eins-zu-Eins sowie in der defensiven Raumaufteilung. Aber es macht Spass, ihm beim Spielen zuzuschauen!
Friedrich hat seine Aufgabe als Abwehrchef ganz gut erledigt, er hat viel geredet mit seinen Mannschaftskollegen, das war früher nicht so viel, scheint mir.
Wichniarek hat sich bemüht, er hat jedoch kaum Zweikämpfe gewinnen können. Was früher mit Pantelic häufig gelang: einen weiten Pass aus der eigenen Hälfte an oder in den 16-Meter-Raum des Gegners zu schlagen, wurde zwar gegen Hannover auch des Öfteren versucht, aber meistens gewannen die niedersächsischen Defensiv-Spieler die sich daraus ergebenden Zweikämpfe. Die Pantelic-Chöre der Ostkurve waren schon recht böse, vielleicht sogar übertrieben, aber eben auch mit treffendem anarchisch-böswilligem Humor.
Der kurz danach eingewechselte Domovchiyski war dann vorn durchaus anspielbar, das war ein spielentscheidender Unterschied.
Denn Kacar kann (anders vielleicht als Raffael) anscheinend mit den gestiegenen Ansprüchen, die an ihn gestellt werden.

Das Gesamtbild hat sich meines Erachtens im Vergleich zur letzten Saison etwas geändert: Während in der letzten Saison die Defensive auch bei starkem Druck des Gegners einen stabilen Eindruck machte, gab es gegen Hannover durchaus einige Situationen, die von einem abgebrühteren Gegner durch ein Tor bestraft worden wären. Das Spiel im Mittelfeld ist durch einen noch etwas stärkeren Kacar und die Offensivstärke von Pejcinovic ein wenig besser geworden (und ja, Ebert hätte von Beginn an spielen sollen). Im Sturm fehlt - entgegen meinen Erwartungen - Pantelic doch, vor allem gegen schwächere Gegner wie Hannover. Und die Verbindung von Sturm und Mittelfeld funktioniert noch nicht richtig gut, es gibt zu wenig Zirkulationsautomatismen, die auch das vordere Spielfeld einbeziehen.