Freitag, Juni 05, 2009

Halensee

Während Lucien Favre noch auf den Malediven urlaubt, und der Hamburger SV dem Vernehmen nach die Trainersuche schon zum Abschluss bringen will, vollzieht sich im Westen Berlins ein Königsdrama im kleinen Milieu von Hertha BSC. Ich beziehe mich dabei auf die Zeitung, für die Philipp Lahm Werbung macht - exklusives Wissen habe ich nicht, das Bild mit den Vorstandmitgliedern, die ein Lokal am Halensee betreten und ominös von hinten fotografiert werden, aus dem Hinterhalt, aus dem sie ihren nächsten Schritt machen werden, ist der öffentlichen Sache des Clubs aber wieder einmal nicht dienlich.

Es lässt sich aber auch schwer verhindern, schließlich betreten alle Tage irgendwelche Anzug- und Lederjackenträger ein Lokal, um auf Spesen zu essen und dabei Pläne zu schmieden. Nun der Plan, den das Massenblatt enthüllt: Es soll ein Abberufungsantrag gegen Dieter Hoeneß gestellt werden, der damit ein Jahr vor seinem Vertragsende schon aus seiner umfangreichen Funktion bei der Hertha entlassen werden würde. Da müssen sich die Mitglieder des Präsidiums allerdings ihrer Sache (und des Trainers) sehr sicher sein, wenn sie gerade jetzt derlei besprechen (und Begriffe wie "Abberufungsantrag" durchsickern lassen).

In einer so volatilen Situation wie momentan, da der Trainermarkt in heftiger Bewegung ist, muss man nicht unbedingt öffentlich den Dolch gegen den Manager wetzen (oder, um im Bild des Namens der Halenseer Restaurants "La Forchetta" zu bleiben, die Gabel zu zücken). Vielleicht hat die Boulevardzeitung aber auch alles nur stark überinterpretiert, und es war tatsächlich nicht mehr als eine verspätete Geburtstagsfeier für Präsident Gegenbauer.

Zur Sache: Manager Hoeneß und Geschäftsführer Finanzen Schiller wären gut beraten, die wirtschaftliche Lage von Hertha noch einmal eingehender zu erläutern, als dies offensichtlich auf der Mitgliederversammlung vom Mai geschehen ist. Die Hertha muss im vergangenen Jahr eine Reihe von nicht budgetierten Mehreinnahmen gehabt haben, die nicht alle durch unvermutet hohe Punkteprämien aufgefressen worden sein können. Wo ist also der Rest des Geldes hin? Da reicht es nicht, einfach von "Finanzkrise" zu sprechen, da muss man schon die spezifischen Auswirkungen benennen - wo sind Kredite teurer geworden, wo sind Fernsehgelder unter Erwartungen geblieben, wo geht 2009/10 so viel Geld hin, dass man nur 28 Millionen für die Mannschaft übrig hat?

Schließlich der springende Punkt. Die Transferhoheit kann natürlich nur bei Trainer Favre liegen, der sich idealerweise mit Michael Preetz berät. Nun haben Transfers immer auch einen nichtsportlichen Aspekt, bei dem persönliche Kontakte und Männerfreundschaften, Netzwerke und alte Loyalitäten eine große Rolle spielen. Mein Eindruck aus der Ferne ist, dass die Hertha sich da zu lange auf die Beziehungen von Scout Wojtowicz und Manager Hoeneß verlassen hat. Es ist hoch an der Zeit, da neue Netzwerke zu suchen und entstehen zu lassen, ausgehend von der Intelligenz des Trainers, der einen ganz neuen Blick auf den Transfermarkt mitgebracht hat und nun eigentlich das ganze Hertha-Scouting neu ausrichten sollte. Wenn dies durch eine Abberufung des Managers beschleunigt werden kann oder muss, dann hätte die Sache einen Sinn - derzeit aber werden nur Dolchstoßlegenden vorbereitet.

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