In Deutschland kommen Gerüchte aus der Küche, in England werden sie in der Mühle ("rumour mill") so lange gemahlen, bis allen das Mehl zum Hals heraus hängt. Die Saison ist aus, die Saison hat noch nicht begonnen, die Webseiten der Clubs wissen auch nicht so richtig, was es gerade geschlagen hat. Deswegen war auch das erste Training der Hertha für die neue Saison gestern von vielen Ereignislosigkeiten überschattet. Ich benenne einmal zwei Umstände, die unleugbar sind: Christoph Janker und Fanol Perdedaj haben zum ersten Mal mit der Mannschaft trainiert, der erste ein ablösefreier Neuzugang aus Hoffenheim, der zweite ein 17jähriger defensiver Mittelfeldmann aus der Hertha-Jugend, Staatsangehörigkeit: Albanien.
Alle Journalisten wollten aber natürlich Neuigkeiten zu der Causa Simunic wissen, die eine solche nur werden konnte, weil die Außendarstellung der Hertha in den letzten Wochen ein wenig naiv war. Vielleicht hat das damit zu tun, dass der Pressesprecher der Hertha, Hans-Georg Felder, noch der Ära Hoeneß nachtrauert. Ich bin mir zwar sicher, dass Coach Favre bei seinen Aussagen bis zu einem gewissen Grad uncoachbar ist, aber muss er wirklich der ganzen Welt erzählen, dass er Josip Simunic eine Textnachricht geschickt hat (genauer Wortlaut: "Ich habe auch eine SMS kontaktiert, aber keine Antwort" - vielleicht hätte er gleich die Antwort kontaktieren sollen)?
Muss wirklich alle Welt schon seit Wochen wissen, dass Hertha einen Transferüberschuss erwirtschaften muss? Müsste der Journalist, der die Sache mit Simunic angeblich frei erfunden hat (dass Favre nämlich ihm keine dritte gute Saison zutraut), nicht schon längst einmal mit einer "exklusiven" Insidermeldung ein wenig ins Rutschen gebracht werden? Bei Hertha bekommt man nicht den Eindruck, dass allzu clever mit den Medien umgegangen wird, auch das wird eine Herausforderung für Michael Preetz sein, da ein wenig mehr "spin" hineinzubekommen.
Wie schwer das ist, kann man allerdings im Moment auf einem noch wesentlich verkommeneren Medienmarkt studieren. In England sind die Zeitungen während des Sommers brutal in ihren Interventionen, sie jagen die Clubs mit halbgaren Meldungen und zusammengeschusterten Spieler-Statements geradezu vor sich her. Aktuelles Beispiel: Ein Interview mit Cesc Fabregas, mit dem die Zeitung, die kein anständiger Liverpool-Fans lesen würde, einen Keil zwischen Arsenal und den Mannschaftskapitän treiben wollte. Grundlage war ein spanisches Interview, das das Londoner Revolverblatt so "montierte", dass daraus eine Absage an Arsenal wurde. Diese Absage, die keine war, musste von Fabregas jetzt trotzdem dementiert werden.
Das einzig Tröstliche an dieser Malaise ist, dass niemand sie kontrollieren kann, und es hat sich auch schon mancher Spieler/Agent verspekuliert bei seinen Machinationen. Josip Simunic muss jetzt auch erst einmal sehen, ob sich bis kommenden Dienstag noch jemand meldet, der sieben Millionen Euro für ihn zahlen möchte. Danach ist er ganz einfach Verhandlungsmasse, oder aber ein guter Herthaner, der alles dafür tut, eine tolle dritte Saison unter Coach Favre zu spielen.
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