Donnerstag, Februar 16, 2012

Prinzenpark

Ein tolles Tor von Kevin-Prince Boateng machte gestern den Anfang zu einer demütigenden Entzauberung des Arsenal FC beim AC Mailand. Wer die Mannschaft von Arsène Wenger in den letzten Jahren häufig gesehen hat, weiß um die Probleme. Aber auch ich war verhalten optimistisch vor dem Champion's League-Spiel gegen eine Mannschaft, die mit Seedorf und van Bommel im Mittelfeld antrat, die sich aber als absolut souverän und entgegen den Klischees als sehr beweglich erwies. Das hatte allerdings auch mit einem bestürzend schwachen und nervösen Auftritt von Arsenal zu tun - auf sehr schlechtem Boden, das wird AW sicher als Ausrede in Rechnung stellen, wenn er überhaupt noch Lust auf Ausreden hat, nach diesem Tiefpunkt einer von ihm konsequent in diese Richtung geführten Saison.

Den Weg des Prinzen aus dem Wedding bis zu diesem Abend gestern einmal ausführlicher zu beschreiben, wäre ein wenig Arbeit wert (sollte er einmal, sagen wir nächstes Jahr, seine erste Biographie schreiben wollen, ich stünde als Geisterschreiber zur Verfügung - Italienisch kann ich auch). Die wesentlichen Stationen sind schnell genannt: Abschiebung aus Berlin (gegen sieben Millionen, die irgendwie in die Hertha-Bilanzen hinein verdampft sind) - Abstellgleis in London bei den Spurs - Abschiebung nach Portsmouth in deren Abstiegssaison (erste deutliche Zeichen von Klasse und Lernbereitschaft) - Foul an Michael Ballack vor der WM 2010 (Pariarolle bei den deutschen Fans, Joachim Löw darf sich die Dankbarkeit nicht anmerken lassen) - starke Leistung für Ghana bei der WM 2010 - Zwischenlagerung in Genua - Führungsspieler beim AC Mailand (unterbrochen nur von einer Verletzung beim Liebesspiel mit einem italienischen Starlet).

Für einen Berliner Jungen ist das schon sehr bemerkenswert, und jung ist er ja auch noch. Interessant auch, wie das Pendel zwischen den beiden Boateng-Brüdern derzeit wieder deutlich auf die Seite des älteren geschwungen ist, nachdem Jerome ihn eine Weile richtiggehend verleugnet hat.

Das Tor gegen Arsenal war eine Kombination aus Schusstechnik und Chuzpe - aus der Position, aus der KPB traf, fallen, wenn, dann nur sehr spektakuläre Tore. Und das war eines, ein Topspin-Knaller genau an die Unterseite der Latte. Danach war er eher der Ballverteiler, mit seinen langen O-Beinen in der charakteristischen Tipp-Kick-Haltung, die sowohl kleine Weiterleitungen als auch diese ansatzlosen, schnurgeraden, flachen Bälle erlaubt. Der Prince, wie er sich in Mailand nennt, ist im Begriff, ein Superstar auf der Sneijder-Position zu werden - eine Position, auf der Arsenal gestern Aaron Ramsey aufbot, der auch das Zeug dazu hat, dem aber die Leichtigkeit fehlt, die ein KPB anscheinend aus den Schwierigkeiten seiner Karriere gewonnen hat.

Was Arsenal anlangt, war ich nach einer Stunde so weit, dass ich zu hoffen begann, es würde kein Auswärtstor fallen. Der Club braucht einen Neubeginn, da kann ich mir nicht wünschen, es ginge irgendwie vielleicht doch noch mit letzter Not halbwegs ein bisschen weiter. Dass Wenger den Vertrag von Johan Djourou neulich bis 2015 verlängert hat, eines Verteidigers, den Ibrahimovic gestern der Lächerlichkeit preisgab, ist nur ein Indiz dafür, dass dieser Kader grundlegend falsch gebaut wird. Dazu kam gestern aber auch, dass ein Topspieler wie Vermaelen, zum ersten Mal wieder auf seine besten Position zentral neben Koscielny, einen schrecklichen Abend hatte, dass Koscielny verletzt ausschied, dass Arteta sich vom starken Mailänder Pressing sehr eingeschüchtert zeigte, dass der nominell linke Winger Rosicky beständig nach innen zog, um dort die Bälle zu verlieren, und dass Walcott einmal mehr ein apathisches Rätsel darstellte.

Die meisten "Young Guns" von Arséne Wenger sind nicht gut genug für englisches, geschweige denn internationales Top Level. Der zentrale Aspekt ist aber einer der Einstellung: Arsenal lassen sich zu leicht "ärgern", sie können mit den Zumutungen des Spiels nicht umgehen und verfallen bald in stereotypes Ballgeschiebe. Dennis Bergkamp hat dies eingehend beschrieben, und zwar vor dem Spiel gegen Mailand. Das 0:4 tut weh, aber es war wichtig, um vielleicht Einsichten entstehen zu lassen. Ich bin gespannt.

Und nachdem nun die willkommene Abwechslung der CL für diese Woche vorbei ist, werde ich wohl nicht umhin können, mich wieder Hertha zuzuwenden, wo der Posten des Cheftrainers vakant ist. Ich höre ja nur die peinlichsten Gerüchte, möchte da gar nicht näher darauf eingehen. Fatalismus ist die einzige Religion der Fans, so will mir scheinen. Bin aber jederzeit bereit, mich zu bekehren.

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