Sonntag, Februar 26, 2012

Augiasstall

Schneller als von den meisten Beobachtern erwartet hat Manager Preetz die Rechnung für seinen Coup mit Otto Rehhagel präsentiert bekommen: eine schlecht eingestellte, ratlose Elf von Hertha BSC hat in Augsburg eine deprimierende 0:3-Niederlage zugelassen. In der Tabelle bedeutet das den Rückfall auf den Relegationsplatz (wäre Hertha ein börsennotiertes Unternehmen, würden spätestens jetzt die vernünftigen Aktionäre aussteigen, und nur noch Spekulanten würden sich mit dem Papier beschäftigen).

Die Medien machten natürlich ein Mordstrara wegen "König Otto", wer aber ein wenig klaren Kopf hat und nicht hoffnungslos verklärend einer anderen Zeit des Fußballs nachtrauert, musste vom ersten Moment an vermuten, dass diese Personalie eine Katastrophe ist. Und so zeigte sich Rehakles gestern auch: wie ein älterer Herr, der die verschiedenen Winkel des ihm anvertrauten Arbeitsbereichs nicht mehr alle gleichzeitig präsent haben kann. Um es deutlich zu sagen: Ein Cheftrainer, der inzwischen schon mehrfach angedeutet hat, dass er aufgrund seiner großen Verdienste an dieser Sache nicht gemessen werden möchte, und der zudem der Mannschaft schon mehrfach das Vertrauen andeutungsweise entzogen hat, ist nicht geeignet für die Aufgaben von Hertha in den kommenden Wochen.

Nach einer Woche Training durfte man im Grunde nichts anderes erwarten, als dass Tretschok und Covic eine halbwegs praktikable Formation finden würden, während der König royalen Schaum schlägt. Doch wieder einmal hat ein Trainer auf der Gegenseite, der noch in Varianten denkt, mit einem Schachzug das bisschen Hertha-Impetus aufgefangen und in Impulse für Augsburg umgeleitet: Luhukay bot Callsen-Bracker gegen Raffael auf, unser sensibler Brasilianer blieb bald nach Beginn bei einer großen Chance glücklos, danach gab er sich weitgehend auf.

Wie aber Niemeyer und Kobiashvili das defensive Mittelfeld interpretierten, das fiel noch einmal hinter übelste Hertha-Momente zurück: Bei Ballbesitz Mijatovic oder Hubnik machte keiner der beiden "Abräumer" auch nur Anstalten, sich anspielbar zu machen, erwartbar stagnierte das Aufbauspiel schon nach 15 Minuten, danach war das ein desaströses Spiel, das sich auch in der Gesamtlaufleistung (110 Kilometer, das ist de facto Standfußball) niederschlägt.

Über die Auswechslung von Niemeyer zugunsten von Rukavytsya noch vor dem ersten Gegentor wird in den Foren viel diskutiert. Ich finde, dass die Maßnahme richtig war (ordne sie auch TC zu und nicht Rehhagel), wenn man das funktionierende Pressing vom BVB-Spiel als Richtlinie nimmt, oder wenn man den Normalfall ansetzt, dass das eine Mannschaft ist, die sich noch an Alternativen erinnern kann, an Verfahrensweisen aus Liga zwee, wenn sie überhaupt noch ein Fünkchen Geist und Identität hätte.

Doch davon war in Augsburg keine Rede, und das rechne ich der großen Konfusion zu, die Otto Rehhagel ausgelöst hat, und die Michael Preetz zu verantworten hat. Jetzt ist Hertha tatsächlich zu einem Augiasstall geworden, und irgendjemand muss nun beginnen, da ein wenig aufzuräumen: Raffael ins Boot zurückholen, Perdeaj reaktivieren, mit Lasogga Zweikämpfe trainieren, die nicht abgepfiffen werden; Freistöße schießen (gestern wurden nur sinnlose Slices getreten), Bastians an den modernen Fußball heranführen, Djuricin wieder in den Kader nehmen.

Rehakles wird das nicht sein, der ist ja mit Attack, Attack auf den nächsten Fußballgemeinplatz beschäftigt. Hertha hat sich zum Gespött gemacht. Ich finde, Michael Preetz sollte zurücktreten. TC sollten weitermachen. Rehhagel soll weiter Interviews geben, aber nicht im Namen von Hertha BSC.

4 Kommentare:

Halblinks hat gesagt…

Großartig!!! Volle Zustimmung

p.selbst hat gesagt…

Ja, absolut richtig. Zum endgültigen Gespött machen sie sich erst mit dem nun anvisierten Wiederabstieg. Und dann dürfte dieser ganze Augiasstall zusammenbrechen.

Anonym hat gesagt…

Es ist ja noch viel schlimmer, nicht nur weil Herakles bekanntlich zwölf Arbeiten (= Spieltage) zu erledigen hatte, wogegen "Rehakles" schon an der ersten gescheitert ist.Schlimmer, weil auch Tretschok und Covic die Bundesliga ja nicht (mehr)richtig kennen als Jugendtrainer, Rehhagel aber auf sie angewiesen ist. Leute, die sich in Herthas Jugendarbeit auskennen, sagen im Übrigen, dass beide nicht die ganz großen Perspektivtrainer seien.
Schlimmer auch, weil Rehhagel unter der Woche Raffael beiseite genommen haben und gefragt haben soll: "Kennen Sie Messi?", um ihm dann zu verkünden, er sei jetzt "sein Messi". Daß er "seinen Messi" dann, nach der Auswechslung Niemeyers, auf die 6er-Position zurückbeordert, das nenne ich schlicht "vercoacht". Gruß von Valdano

Natalie hat gesagt…

Warum auch immer, die 25. Minute war der Wendepunkt. Ohne Not hat Hertha einen Reflex gezeigt, den biedere Augsburger ausgelöst haben - zufällig.
Ich möchte außerdem Ebert nicht mehr sehen - klebt an der Mittellinie, läuft sich nie frei, öffnet keine Räume, vereitelt jeglichen, möglichen Angriff. Jankers Job muß er nicht machen, allerdings seinen.