Sonntag, Oktober 23, 2011

Trottreaktion

Das torlose Remis zwischen Hertha und dem FSV Mainz 05 war das langweiligste Heimspiel, an das ich mich erinnern kann - und ich habe viele Spiele gesehen, in denen Niko Kovac versucht hat, den Rhythmus zu "bestimmen". Dass Coach Babbel hinterher sogar noch eine Art Lob an die Mannschaft aussprach, dafür, dass sie einen Punkt geholt hat, mutet merkwürdig an.

Es deutet aber darauf hin, dass er vielleicht gar kein Problem sieht, wo 47.000 Zuschauer doch recht eindeutig eines zu bemerken meinten. Den Umstand, dass Lustenberger statt Niemeyer in der Startelf auftauchte, begründete Babbel eher mit körperlichen als mit taktischen Umständen (Niemeyer hatte während der Woche wegen Rückenbeschwerden nicht ständig trainieren können). Der Schweizer konnte nicht wirklich viel aus seiner Chance machen, das lag aber auch an der generellen Spielanlage.

Hertha hat ein Problem, das Spiel zu machen. Dieser Sachverhalt hat sich inzwischen herumgesprochen, aber es wird selten genauer gefragt, woran das denn liegt. Gegen Mainz war ein wesentlicher Grund sehr deutlich zu erkennen: Wenn man gegen einen gut disponierten Gegner erst zwanzig Meter in der eigenen Hälfte mit einer sehr nachlässigen Balleroberung beginnt, dann hat man, wenn man ihn dann einmal bekommt, den Ball, zuviel zu machendes Spiel vor sich, als dass sich da viel machen ließe an einem Tag, an dem die Flügelspieler defensiv stark beansprucht waren, an dem Ramos eher zerstreut wirkte (das kennt man ja von ihm, ab und zu), und Raffael, laufstärkster Herthaner, zwischen den Mühlsteinen zerrieben wurde.

Der Konter ist der Spielzug, der das Spiel in der Regel so beschleunigt, dass man es nicht mehr "machen" muss - der Konter ist eher ein Würfelwurf, ab und zu passt es eben. Deswegen versteht Hertha sich als Kontermannschaft, was aber eben nur manchmal funktioniert, und selten gegen Teams, die auf "Augenhöhe" operieren.

Hertha wäre also zumindest in Heimspielen eigentlich gut beraten, viel weiter vorn die erste Linie zu machen, insgesamt eine "higher line" zu spielen, zumindest gegen Mannschaften, gegen die man sich eigentlich nicht verstecken sollte. Gegen die "höhere Linie" spricht natürlich die Schnelligkeit wesentlicher Defensivspieler: Mijatovic und Kobiashvili zwingen geradezu zu einem "tiefen Stand".

Das sind Systemfragen, die eigentlich zwischen Babbel und Preetz schon intensiv diskutiert werden müssten, denn sie betreffen wesentlich die nächsten Zukäufe. Doch der Coach will sich ja noch nicht einmal über die Saison hinaus festlegen.

Der einzige Herthaner, den der Stadionsprecher zweimal hervorheben konnte, war Thomas Kraft. Der Keeper fand hinterher auch bezeichnende Worte: Er sprach von einem "Trott", in das Hertha-Spiel verfallen war, und aus dem die Mannschaft nicht mehr hinausfand. In der Regel obliegt es dem Trainer, in einer solchen Situation einzugreifen, zum Beispiel durch einen systemischen und nicht nur durch einen positionell identischen Wechsel: Doch Babbel blieb auch im "Trott", er brachte Torun für Ben-Hatira, Lasogga für Ramos und schließlich (nachdem Mijatovic Lustenberger am Kopf getroffen hatte) auch noch Niemeyer, der zumindest noch eine leichte Belebung brachte.

Eine Variante für Heimspiele, in der Raffael neben (grummel, grummel) Ottl einen ballerobernden Offensivsechser spielen könnte, scheint Babbel ja im Moment nicht in Erwägung zu ziehen. Der Münchner in Berlin überzeugt an guten Tagen durch eine gesunde Distanz, an weniger guten Tagen oder gar an einem wie gestern gibt er eher Rätsel auf, und so kommt ein Spiel zum schnellen Vergessen zustande. Am Ende war sogar das Pfeifkonzert schwach.

1 Kommentar:

Tim hat gesagt…

der bundesliga-alltag hat euch erreicht. ja, man kann weinen, aber langfristig rate ich doch eher, dem neuen "funkel" zu gratulieren. babbel ist schon extrem zielorientiert, da macht er keine gefangenen. und, dass muss man ihm lassen, wenig fehler. stark bleiben.