Samstag, September 25, 2010

Horizontaltackling

Das niedrigere Niveau in der zweeten Liga bezieht sich auch auf die Menschen, die davon berichten. Der von mir abonnierte Bezahlsender entsendet zu den Spielen von Hertha zwar immer noch gelegentlich einen von den wenigen Profis, die er unter seinen Kommentatoren hat. Häufig aber kommen Menschen zu Wort, die Nico Schulz bis heute für einen Verteidiger halten (weil der Junge vor langer Zeit mal in dieser Kategorie geführt wurde), und die glauben, in den unteren Spielklassen müsste mehr gegrätscht werden.

So erregte gestern in Cottbus ein leidenschaftliches Einschreiten von Raffael Aufsehen, der um die 65. Minute ein schwungvolles Horizontaltackling hinlegte, sich rasch wieder auf seine zwei Beine begab und mit dem gewonnenen Ball einen Konter einleitete, der dann allerdings "nicht gut zu Ende gespielt wurde".

Die Hertha konnte sich das leisten, denn Energie Cottbus schoss gestern mehrmals mit Verve knapp daneben, vor allem Emil Jula tat sich wieder dabei hervor (ich habe seine Chance noch deutlich vor Augen, die er vor eineinhalb Jahren vernebelte, als Hertha schließlich 3:1 in der Lausitz gewann und danach der Manager tanzte - damals war ich auch selbst vor Ort).

Hertha gewann das Spitzenspiel in dieser frühen Phase der Saison mit 1:0 durch ein Tor von Friend nach mächtiger Banane von Lell und Ableger per Schienbein von Ramos. Der echte Freund stand dort, wo er in so einer Situation erwartet wird: im Fünfmeterraum.

Der Sieg war verdient, weil die Spielkontrolle trotz einer Reihe brenzliger Situationen eindeutig in Berliner Hand lag. Es fehlte nur die letzte Konzentration, die sich die Spieler erst allmählich erarbeiteten. Ein Beispiel dafür war Lell, der eine Stunde brauchte, um seinen dynamischen Vorstößen auch ein wenig Präzision beizufügen, auch das Zusammenspiel mit Schulz bedurfte der allmählichen Abstimmung. (Auch Mijatovic scheint immer gegen Ende der Spiele besser zu werden.)

Für meine Begriffe war es aber wieder das neue, noch nicht magische, aber doch schon sehr wirksame Dreieck aus Niemeyer, Raffael und Domovchyiski, das den entscheidenen Vorteil verschaffte. Raffael ging gelegentlich so leidenschaftlich auf den ballführenden Gegenspieler, dass er nach gut dreißig Minuten nur knapp einer roten Karte entging - eine brutale Grätsche ging zu diesem Zeitpunkt zum Glück ins Leere, Foul musste nicht gepfiffen werden.

Dass schließlich ganz am Ende ausgerechnet Ramos einen Ball von Radu knapp vor der Linie entschärfte, spricht ebenfalls für eine neue Geistesgegenwart aller Beteiligten (dass der Rumäne allerdings dort halblinks überhaupt so allein stehen konnte, hat mit einem übertriebenen Verschieben zu tun).

Die Grätsche muss nicht das Stilmittel dieser Zweitliga-Hertha werden, es reicht, wenn sie sich auf das geschickte Tackling konzentriert, und auf das Ablaufen, das auf kluger Laufarbeit beruht, und das gestern nicht nur Niemeyer mehrmals demonstrierte. Wir sind in der zweiten Liga, das sechste Spiel brachte einen wichtigen Sieg, die Hertha wappnet sich mit Punkten für schwierigere Zeiten, die sicher noch kommen werden, zum Beispiel dann, wenn die Füße kalt werden und der Boden schwer.

4 Kommentare:

Oliver hat gesagt…

Verehrter Marxelinho, immer wieder rutscht dir mal ein "die Hertha" in deinen Text. Selten, aber wenn, fällt es bei der Qualität deiner Texte sehr auf. Westdeutsche Zugezogene oder sky-Reporter haben diesen unseligen Artikel eingeführt, Eingeborenen zieht sich da alles zusammen.

marxelinho hat gesagt…

ich bin ja auch ein zugezogener, aber was ist eigentlich genau falsch am weiblichen artikel für "die (mannschaft von) hertha"? ich möchte nämlich wirklich mit sky-reportern in der regel nichts gemein haben

Oliver hat gesagt…

Zuerst einmal vielen Dank für deine großartigen Beiträge, etwas Besseres kann man in keiner Zeitung lesen. (Um dich mal ganz weit weg von Sky-Reportern zu positionieren, mit ihnen hast du wirklich nichts gemein, das wollte ich damit auch nicht sagen). Das reingerutschte "die" sei dir bei deiner Herkunft aus dem österreichischen Sprachraum verziehen, grundsätzlich bereichert deine Sprache die Berichterstattung über Hertha erheblich. Außerdem erinnere ich mich beim Lesen des Namens immer wieder gern an das Zusammenspiel von Marx und Marcelinho.
Der weibliche Artikel vor "Hertha" ist wahrscheinlich nicht wirklich falsch, aber wird, soweit ich das beurteilen kann,von keinem Berliner benutzt. Ich glaube auch, daß bei seiner fragwürdigen Verwendung nicht an "Mannschaft", sondern eher an den Frauennamen oder "die alte Dame" gedacht wird. Ich kenne mich zuwenig mit den Befindlichkeiten der Anhänger anderer Vereine aus, und ob sie sich auch von Fernsehreportern vergewaltigt fühlen, aber dort hält man sich ja meistens an den Begriff, der im Vereinsnamen vorkommt, wenn man eine Kurzform verwendet. "Der HSV", "der FC", "der Sportclub" , "der VfB" usw..
Ob in Gladbach jemand "die Borussia" oder in Frankfurt jemand "die Eintracht" sagt, weiß ich auch nicht, jedenfalls ist es im Berliner Sprachgebrauch nicht üblich, den Vornamen mit einem Artikel zu versehen, wenn man von einer Person spricht. Das wäre viel zu hochgestochen und umständlich und passt nicht zum eher rauen Berliner Umgangston.
In der Hoffnung, daß man irgendwann wieder Hertha und Arsenal miteinander vergleichen kann, viele Grüße und weiter so !

P.S.: Den englischen Original-Kommentar von Premier-League-Spielen wegzunehmen, ist wirklich reine Folter von "Sky".

Anonym hat gesagt…

das ist ein frauenname wie sabine, gertrud oder iris. da setzt du doch auch kein "die" vorneweg, oder? für berliner klingt das jedenfalls seltsam. "ich bin der rainer, ne"