Sonntag, September 05, 2010

Falsche Neun


Beim 0:4 von Bulgarien gegen England am Freitag kam Waleri Domovchiyski nicht zum Einsatz. Immerhin aber kann er sich über eine Reise mit der Nationalmannschaft freuen, während Raffael mit Hertha in Berlin trainiert - am Samtag gab es in einem Testspiel gegen den VfB Auerbach aus der sächsichen Oberliga ein 4:0 (Tore: Lasogga 2, Bigalke, Raffael).

Das kleine Match habe ich nicht gesehen, die Berichte geben aber Hinweise auf zwei Details: Erstens haben Djuricin und Lasogga gemeinsam in einer Offensivformation gespielt, das wird in der Zukunft noch von Interesse sein, denn beide sind als große Talente einzuschätzen, und da ist es natürlich gut, wenn es auch Konstellationen gibt, in denen beide gleichzeitig antreten können.

Zweitens war Raffael allem Anschein nach mit Spaß bei der Sache. Ihm könnte ja doch Domovchyiski ein wenig die Laune verdorben haben, und tatsächlich hat Coach Babbel in den Angriffsreihen der Hertha demnächst ein wenig die Qual der Wahl. Soll er Domo aus der Mannschaft nehmen, der als zweite Spitze zweimal getroffen hat, oder soll er für Raffael einen "winger" opfern? Rukavytsya ist wegen der Standards unumgänglich, und Ramos will auch niemand vor den Kopf stoßen.

Generell war zu beobachten, dass die drei Spieler hinter Friend (oder Djuricin) häufig rochiert haben, Domo wechselt auch auf den Flügel, Ramos kommt gelegentlich zentral oder geht nach rechts. Es gibt also viele Variationsmöglichkeiten.

Es gibt allerdings auch einen Aspekt, den die meisten Medien, die nun zum Teil von einem "sensationellen" Domovchyiski schreiben, übersehen: Der Bulgare müsste eigentlich viel stärker als "link player" zwischen Mittelfeld und Angriff fungieren, im Grunde wäre es seine Aufgabe, die Bälle sogar noch weiter hinten abzuholen, auf Höhe von Perdedaj und Niemeyer, um so die Spieleröffnung noch variabler zu machen.

Das hat er bisher konsequent versäumt, und das (zum Beispiel) unterscheidet eine deutsche Zweitligamannschaft wie Hertha von Arsenal (die ich eben auch genau beobachte), wo van Persie die Rolle von Friend hat, und dann kommt schon Fabregas (oder Nasri) in der Funktion des Gelenkspielers, der sich weit zurückfallen lässt und doch immer wieder in den Strafraum geht.

Die englischen Taktikexperten haben inzwischen den Begriff der "falschen Neun" geprägt, eines nominellen zentralen Stürmers, der auf dem Feld aber schwer zu finden ist, weil er sich tief fallen lässt. Fabregas ist der Idealtyp für diese Rolle, weil er Aggressivität (Perdedaj), Balleroberung (Niemeyer), Vorstöße (Kacar) und Abschluss alles in seinem Spiel vereinigt. (Özil zum Beispiel ist auch ein falscher Neuner, der allerdings lieber über den Flügel kommt, sodass Khedira die zentralen Vertikalen offen findet.)

Raffael musste auch erst allmählich an die universelle Anlage dieser Rolle herangeführt werden, sein Aktionsradius und damit sein Einfluss auf das Spiel ist allerdings tendenziell noch deutlich größer als bei Domo, und deswegen muss der Bulgare für meine Begriffe gegen Bielefeld wieder in die Wartestellung - so sehr ich das bedauere, denn ich halte viel von ihm und würde ihn gern zu einem großen Spieler reifen sehen. Die ersten beiden Spiele waren gute Ansätze, überbewerten sollten man sie aber noch nicht.

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