Sonntag, Dezember 16, 2007

Hauptstadt

Immer wenn der FC Bayern München zu einem Auswärtsspiel in das Olympiastadion kommt, kann Berlin sich so richtig als Hauptstadt fühlen. Denn offensichtlich leben viele Anhänger des FC Hollywood hier, und einmal im Jahr holen sie ihr Makaay- oder Ballack-Jersey aus dem Schrank, und mischen sich unter die 35.000, die gewöhnlich zu Heimspielen der Hertha gehen. So verdoppelt sich die Zuschauerzahl, selten wird der Spitzenspielzuschlag auf den Eintrittspreisen aber auf dem Feld gerechtfertigt. Gestern war es eine rechtschaffen jämmerliche Angelegenheit. Ich kam erst zur zweiten Hälfte, weil ich davor noch ein Interview mit einem aus Ulm gebürtigen Hollywood-Regisseur zu absolvieren hatte (öde Sache). Lucien Favre hatte endgültig die Lehre aus der Hinrunde gezogen, Simunic wieder in die Viererkette gestellt und Friedrich dort nach rechts hinausgezogen, im zentralen defensiven Mittelfeld waren mit Dardai und Mineiro die zwei Staubsauger tätig, davor Gilberto und Lustenberger, davor Grahn als Hänger und Pantelic als wie immer einsamer Aktivposten. Nach hinten ging das Konzept auf, weil die Bayern ihrerseits von hinten heraus einen Stiefel spielten, der kaum zu ertragen war. Nach vorn wäre das Konzept der Hertha beinahe auch aufgegangen, als ausgerechnet Dardai einmal gut zum Zufallsschuss kam - zum Glück drehte Rensing den Ball noch vom Tor weg, sonst hätte Dardai am Ende noch am Spielfeldrand einen neuen Vierjahresvertrag bekommen. Er war nämlich schon einmal Torschütze bei einem Sieg gegen Bayern gewesen, schon damals fiel er als epimoderner Spielertyp auf, irgendwie hat es die Hertha aber in den fünf Jahren seither nicht geschafft, über ihn hinauszukommen. Die Ballverluste, die Hertha sich gestern an der Dreißigmetermarke leistete, also dort, wo der Spielaufbau konkret wird, waren grauenhaft. Grahn zuvorderst, bei ihm kann man die Langsamkeit in den Ganglien quasi eins zu eins auf dem Feld erkennen, würde man ihm einmal ein Video zeigen, das ihn über neunzig Minuten bei der Arbeit zeigt, er würde über seine Körpersprache und seinen gemächlichen Trab vielleicht sogar erschrecken. Er ist technisch gut, alle anderen Tugenden hat er verkümmern lassen. Gilberto war geringfügig besser, auch bei ihm war die Bilanz aber negativ, einer guten Ballbehauptung oder gar einem Pass standen immer zwo, dro provozierende Nachlässigkeiten gegenüber. Signifikant eine Szene gegen Schluss, als ein möglicher Angriff der Hertha durch einen langen "Verlagerungspass" auf Friedrich verlangsamt wurde - der Kapitän sah kurz nach vorne, entschloss sich dann aber zu einem Rückzug, er ist offensiv schon lange eine Vorgabe. Ein 0:0 vor der Winterpause, zumal gegen den FC Bayern München, kann aber trotzdem als Erfolg erscheinen, wenn man vorher gründlich abgewirtschaftet war. So geht die Hertha beinahe versöhnt in die Winterpause, während der FC Bayern München feststellen musste, dass er nicht nur Anhänger in aller Welt hat, sondern auch einen Fanblock: Von dort wurde die Mannschaft am Ende heftig ausgepfiffen. Die Hertha aber konnte erhobenen Haupts in die Kurve gehen. Sieger der Hinrunde ist Pal Dardai. Er ist zurück im Team. An ihm kommt weiterhin niemand vorbei. Was für ein Elend!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Herrlich, ich musste ganz schön schmunzeln, wie auf Dardai rumgetrampelt wird...

Tja Hertha hat und findet anscheinend keinen besseren als Dardai. Doch das spricht doch eigentlich nicht gegen ihn?