Samstag, Dezember 10, 2011

Entenhausen

Das war es dann wohl mit der Aufbruchsstimmung 2011 bei Hertha BSC. Im letzten Ligaheimspiel des Jahres gab es ein verdientes 1:2 gegen Schalke 04. 52382 Besucher wurden gezählt, bei einem Hit, den bei entsprechenden Umständen sicher 60000 und mehr hätten sehen wollen. Aber dem ist nicht mehr so.

Man kann es durchaus so sagen: Mit diesem Fußball wird Hertha niemand hinter dem Ofen hervorlocken. Wie ich im letzten Eintrag schon deutlich gemacht habe, zähle ich zu denjenigen, die das Coach Babbel persönlich zuschreiben. Er hat mit seinem Herumeiern wegen der Vertragsverlängerung eine Stimmung geschaffen, die er auch in seiner konkreten Tagesarbeit nicht konterkariert - ich würde von fader Routine sprechen. Die Stichproben auf bessere Möglichkeiten, die in dieser Hinrunde gegeben wurden, interessieren nicht mehr.

Gegen Schalke sah das zum Beispiel so aus, dass Babbel nicht einmal alle drei Wechsel probierte, um vielleicht doch noch den Ausgleich zu schaffen - entsprechend lethargisch schleppte sich das Team über die Ziellinie. Ich habe das Spiel in einem Stream gesehen, mit englischem Kommentar, und die von der Premier League an andere Leidenschaft gewöhnten Fachleute verrieten mit ihrem Vokabular deutlich, was Hertha fehlte: "a bit of magic", "imagination", "prowess", "intensity", all das hätten sie gern gesehen.

Der Mannschaft von Huub Stevens reichten gestern gute Gesamtorganisation, ein Geistesblitz (Raul auf Pukki), und ein paar Szenen mit Flügelspiel (Fuchs), um zwei Tore zu schießen, und damit eines mehr als eine Hertha, die sich bedauernswert wenig Platz schaffen konnte und wollte. Lasogga ("Lassiker" bei den Engländern) war der ärmste Hund, Raffael tat immer noch sein Mögliches, Patrick Ebert zeigte eines seiner besseren Spiele (sein Tausch gegen Torun war mir ein Rätsel), Ramos war wenigstens in einigen Szenen präsent.

Dagegen zeigte Ottl einmal mehr, dass er an der Gesamtsituation desinteressiert ist, er spielt Woche für Woche seinen Stiefel (aus dem er ein, zweimal pro Spiel die Andeutung großen Könnens zaubert), er kennt keinen Rhythmuswechsel, keine Leidenschaft - ich habe ihn satt. Niemeyer ist der limitiertere Fußballer, er stößt nun auch zunehmend an seine Grenzen - zu viel bleibt an ihm hängen.

Bei der Flanke von Fuchs, die zum ersten Gegentreffer führte, deutete Niemeyer mit einer Handbewegung noch an, dass er Kobiashvili zu Huntelaar dirigieren wollte - der kam zu spät, aber es sah da immer noch so aus, als hätte Niemeyer mit ein bisschen mehr "prowess", also "Heldenmut", sich dazwischenwerfen können. Dazu hätte es aber einer jener Bewegungen über das normale Maß an Engagement bedurft, die bei Hertha so rar geworden sind.

Der Ausgleich fiel nach einem Corner von Raffael, der aussah, als hätte man das diese Woche trainiert (was ich für eine gute Idee halte, denn Hertha ist nicht Arsenal, die es sich leisten, dieses Thema sträflich zu ignorieren - nach 179 Eckbällen verhalf ihnen neulich zum ersten Mal wieder einer zu einem Tor!).

Der Siegestreffer für Schalke noch vor der Pause fiel nach einem vertikalen Pass von Raul auf Pukki, der von Mijatovic ("Maijatovitch" in England), Hubnik und Lell umtanzt wurde, am spektakulären Torschuss aber nicht gehindert wurde. Gegentreffer Marke Reus, Marke Derdiyok.

Im Halbzeit zwei konnte Hertha nichts zusetzen, der Trainer wollte nichts riskieren (nur ein Wechsel, der nicht positionsneutral war), das Spiel rann aus. Und so tut es die Saison. Bleibt eigentlich nur noch das Cupspiel, um ein wenig Wiederbelebungsarbeit zu leisten. Wenn er dazu wirklich etwas beitragen will, sollte Babbel sich VORHER erklären. Ich glaube allerdings, dass es dazu schon zu spät ist. Denn es ist mir inzwischen völlig egal, wenn er sich hier als "lame duck" vom Hof stiehlt, aber es stört mich, dass er Hertha dadurch zu Entenhausen macht.

1 Kommentar:

Natalie hat gesagt…

Bravo!
Ich finde, Du hättest erwähnen können, daß das 2. Gegentor aus einem dämlichen Hackentrick Raffaels im gegnerischen Strafraum entstanden ist. Ich erinnere mich, daß seinerzeit Favre pedantisch daran arbeitete, daß die Spieler einen Sinn für gefahrbringende Situationen entwickeln und diese abstellen (nach Möglichkeit keine Fouls in eigener Hälfte > Freistöße > Torgefahr usw.).