Auf Anregung von Valdano hin habe ich mir gestern den italienischen Klassiko, das Derby zwischen AC und Inter Mailand angesehen, in der Bar dello Sport in der Eisenacher Straße, wo Sky Italia in HD an die Wand gebeamt wird. Es war ein lebendiges Altherrenmatch, in dem ansehnliche Tricks (Seedorf) mit rüden Fouls (Van Bommel) einher gingen, insgesamt gab es viele "Spompanadeln", wie man ihn Wien sagt, und wenig planvollen Fußball. Am Ende siegte Milan mit 3:0.
Für mich war vor allem von Interesse, dass Kevin-Prince Boateng in Italien weiter wächst: Er spielt im offensiven Mittelfeld hinter den Spitzen, später (als Seedorf nicht mehr so konnte) weiter hinten, und hat auf allen Positionen eine bemerkenswerte Autorität. Er weiß inzwischen, wann er was zu tun hat, er beschleunigt das Spiel und kann dann aber auch bei 2:0 und einem Mann mehr den Vierzigmeterrückpass aus dem Fußgelenk schütteln, und zwar in Serie. Der Prinz aus dem Wedding, den auch die Schöneberger Tifosi auf vielfache Weise als einen der ihren feierten, ist im Begriff, ein großer Fußballer zu werden. Jetzt müsste er nur noch in eine konkurrenzfähige Liga wechseln.
Das Mailänder Rasenbungabunga bildete für mich den Abschluss eines langen und unersprießlichen Fußballnachmittags. Eine Weile sah alles gut aus, als nämlich West Ham United (für die ich aus der Kindheit, als Fußballclubs noch vorwiegend auf klangvollen Namen und kaum aus Bildern bestanden, viel übrig habe) zur Pause 2:0 gegen MeanU führte. In Halbzweit zwei drehte Rooney aber mehr oder weniger im Alleingang das Spiel, er nähert sich wieder dieser tödlichen Form, die er vor ungefähr einem Jahr verlor.
Mit 4:2 untermauerte MeanU die englischen Titelambitionen, danach kam Chelsea gegen Stoke über ein 1:1 nicht hinaus, und Arsenal hätte im Heimspiel gegen Blackburn das Titelrennen in einen Zweikampf verwandeln können. Es wurde dann aber nur ein trostloses 0:0, das dritte Remis in Serie einer Mannschaft, die aufreizend lustlos wirkt im Moment - oder ist das eine kleine Depression, nach all den Enttäuschungen der letzten Woche? Arsène Wenger scheint im Moment jedenfalls nicht die Mittel zu haben, da noch einmal für Inspiration zu sorgen. Arsenal spielt ohne Feuer, die Fans im Emirates kommen anscheinend schon abwartend ins Stadion, und wenn sich dann nicht viel tut außer ein paar heiklen Momenten für Almunia, dann wird dieses tolle Stadion wohl zu einem entropischen Ort, an dem sich alles auf torlose Enttäuschung einpendelt.
Die italienische Aufgeregtheit hat mich dann aber für alles entschädigt: Superzeitlupen wie bei Sky Italia haben wir seit der WM nicht mehr gesehen, dazu die ständigen Großaufnahmen von Spielern, die mit diesen Bildern schon zu rechnen scheinen und sich deswegen besonders ins Zeug legen - beim Protestieren, Klagen, Leiden, Hinfallen, Abheben, beim Weltschmerz all'italiana und bei der sinnlos entfesselten Freude eines Cassano, der zwei Minuten vor Schluss per Elfmeter das 3:0 macht (das Match ist längst entschieden), dafür aber so wild jubelt (und seine Tätowierungen freilegt, das Trikot landete irgendwo), dass er sich eine gelbe Karte holt, die er eine Minute später mit einem ungeschickten Foul verdoppelt - es war ein kurzer, heftiger Auftritt, und ich verstehe jetzt, warum die Fans in der Eisenacher Straße die Serie A nicht missen wollen. Sie ist zur Operettenbühne des europäischen Fußballs geworden.
And now for something completely different: In drei Stunden spielt Hertha gegen Paderborn.
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