Freitag, November 19, 2010

Inhaberschuldverschreibung

Ich habe heute die aktuelle Hertha-Anleihe gezeichnet, nicht eigentlich aus finanziellen Gründen (ein Portfolio von mir existiert genau genommen gar nicht), sondern eher aus Neugierde. Ich wollte einfach sehen, wie sie das gemacht haben. Da ist dem Management nämlich schon wieder ein kleines Spin-Kunstwerk gelungen diese Woche, zwischen dem Heimspiel gegen Bochum und dem Auswärtsspiel gegen Osnabrück heute abend wurde die wohl schwierigste Klippe dieses Herbsts umschifft.

Ein großer Nebelwerfer muss dabei auch eine Rolle gespielt haben, denn die Berliner Tabloiden haben sich seltsamerweise gar nicht näher dafür interessiert, was hier genau geschehen ist. Ich versuche es so zu entschlüsseln, wie es sich einem finanziellen Laien, der auf Medienberichte angewiesen ist, darstellt.

Die Hertha muss in diesem Spätherbst eine alte Anleihe über sechs Millionen, die sie seinerzeit über die Berliner Volksbank ausgegegeben hatte, zurückzahlen. Sie gibt in diesem Spätherbst eine neue Anleihe über sechs Millionen aus, die sie dieses Mal weitgehend selbst vermarktet (ich habe meine, terminus technicus, Inhaberschuldverschreibung einfach online gezeichnet).

Die sechs Millionen, die man einzunehmen hofft, werden angeblich so verwendet: 4,2 gehen in die Tilgung von Krediten, der Rest dient der Stärkung der Liquidität. Die "Durchfinanzierung" (das Wort wird Ingo Schiller noch um die Ohren fliegen) der laufenden Saison ist offiziell von dieser Anleihe nicht betroffen.

Nun fragt sich natürlich der Laie: Wenn Hertha mit Geld aus der neuen Anleihe alte Kredite tilgt, mit welchem Geld zahlt sie dann wohl die alte Anleihe zurück? Vermutlich mit dem Geld, mit dem sie sonst die Kredite tilgen würde. Hier werden also Bilanzposten hin und her gerechnet, das Faktum aber bleibt bestehen, dass Hertha das Geld, das sie vor sechs Jahren durch eine Anleihe erhalten hat, in der Zwischenzeit nicht wieder hereingearbeitet hat, sondern dass sie diese Schuld refinanzieren muss.

Sie verhält sich also im Grunden so wie viele öffentliche Körperschaften, die ihre Schulden einfach vor sich her tragen: Deutschland zahlt seine Schulden ja auch nicht in dem Sinne zurück, sondern bezahlt alte Anleihen mit neuen Anleihen, und ein großer Teil der Steuergelder geht in den Zinsdienst, die Gesamtschuld wird irgendwann abstrakt. Bei einem Fußballclub geht das aber so auf Dauer nicht. Die Gesamtschuld wird irgendwann erdrückend.

Hertha verweist auf die attraktiven Zinsen von fünf Prozent, die es für die aktuelle Anleihe gibt - das ist tatsächlich deutlich höher, als was man auf einem normalen Tagesgeldkonto bekommt, muss aber eben auch von Hertha bezahlt, und damit erwirtschaftet werden. 300.000 Euro pro Jahr sind für einen solventen Erstligisten nicht so viel, für einen hochverschuldeten Zweitligisten kann das aber eine ganze Menge Geld sein.

Und niemand kann ausschließen, dass Hertha im kommenden Jahr das zweitere sein wird, alle aber können ausschließen, dass Hertha im kommenden Jahr das erstere sein wird - wenn schon Erstligist, dann kein problemlos solventer, sondern ein klammer (und, ich fürchte, wiederum abstiegsgefährdeter). Ich sage nicht, dass es zu dieser Refinanzierung eine Alternative gegeben hätte, angesichts der vergangenen sechs Jahre und der Wette, zu der sich Manager Preetz und die Verantwortlichen entschlossen haben: Nämlich alles auf die Karte dieser einen ("durchfinanzierten"!) Saison zu setzen, an deren Ende die Schulden höher sein werden als am Ende der Abstiegssaison, das Spielerkapital aber deutlich reduziert sein wird. Wenn das nicht gutgeht, dann habe ich vielleicht gerade einen dreistelligen Betrag vergeudet.

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