Sonntag, Oktober 21, 2007

Vorbild

Der Auftritt der Hertha gestern bei Werder Bremen wurde zu einem weiteren Schritt auf dem endlosen "Lernprozess", auf den sich der ganze Verein nunmehr schon seit den Tagen verständigt hat, als ich diesen Blog begonnen habe - also seit dem Scheitern des großen Anlaufs unter Huub Stevens Seither wird gelernt, umgebaut, entwickelt, und es kommt immer nur Stückwerk heraus. So auch gestern. Lucien Favre hatte Bremen während der Woche zum großen Vorbild ausgerufen, meinte dabei wohl auch allgemeine Professionalität und Transferpolitik. Den Unterschied konnte man dann bis in viele Details hinein genau studieren. Favre hatte eine anfangs experimentelle Taktik gewählt, die sich aber schnell relativ konventionell entflocht: Nur Simunic kam im defensiven Mittelfeld auf eine Position, die ihn vor interessante Herausforderungen stellt und ihn nebenbei dazu zwingt, am Spielaufbau teilzunehmen. Neben ihm Dardai, hinten Fathi-von Bergen-Friedrich-Chahed, weiter vorne Gilberto-Grahn-Ebert, und Pantelic als einziger Stürmer. Das ging in der ersten Halbzeit so gut, dass der Premiere-Kommentator die erste große Chance gar nicht so richtig bemerkte: ein toller Pass in die Tiefe auf Grahn, der rechts auf Wiese zuzieht, und eigentlich selbst verwandeln muss, dann aber einen Querpass spielt, der Werder noch die Chance zum Eingreifen lässt. Beinahe eine Kopie dieser Situation kurz vor der Pause, dieses Mal ist der Pass die ideale Möglichgkeit, und Gilberto muss dieses Tor machen, will Hertha an diesem Tag eine Chance haben. Er verstolpert. Nach der Pause kam die Hertha mit dem Spielwitz von Bremen nicht mehr mit. Von Bergen, der ein gutes, aber eben kein überragendes Spiel machte, zahlte ein wenig Lehrgeld, und Arne Friedrich, der ein gutes, aber kein überragendes Spiel machte, gleichfalls. Schlüsselfigur defensiv war aber in meinen Augen Chahed, der wieder mutlos und beim dritten Tor auch geistesabwesend spielte - auf dieser Position muss im Winter was getan werden. Besonders interessant war es aber, Grahn zuzusehen: Bei ihm ist noch offen, ob er sein Spiel irgendwann so effizient machen kann, dass seine technischen Fähigkeiten seine läuferischen Defizite und seinen Mangel an Entschlossenheit kompensieren können. Eine Charakterfrage, wie so oft. Bremens riskantes Spiel bot ihm gestern viele Räume, er hätte mehr daraus machen müssen. Dass Favre in der 60. Minute schon Pantelic vom Platz nahm, verstehe ich nicht. Der Coach trägt unserem besten Angreifer wohl immer noch das Misstrauen aus dem Sommer nach, als er in der Vorbereitung einen ächzenden Star sah, der nur langsam in die Gänge kam. Okoronkwo schoss zwar noch das 2:3 in letzter Minute, er konnte dem Spiel aber keine Wende mehr geben. Werder ist auch eine Mannschaft, die viel probiert, allerdings auf deutlich höherem Niveau. Gegen Bochum muss Hertha nächste Woche ein erstes Zeichen setzen, dass sie mit dem Abstiegskampf nichts zu tun haben will. Das Potential hat sie, ob sie aber auch den Mumm hat?

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