Samstag, Mai 28, 2005
Funkionärsebene
So weit kommt es noch, daß ich die "Berliner Morgenpost" lesen muß, um den neuesten Blödsinn der Hertha-Kicker zu erfahren. Gestern entfaltete ein Fahrgast in der U1 das Großformat, und ich las eine Schlagzeile, bei der ich zuerst einmal lachen mußte: Christian Fiedler wird CDU-Vize in Berlin. Später fand ich heraus, daß die Geschichte darunter von Joe Simunic handelte, der in betrunkenem Zustand mit seinem Porsche im Lützowviertel aufgefallen ist. Die armen Jungs sind in der Sommerpause ganz orientierungslos. Heute schreibt auch die SZ über den Fall Fiedler, der inzwischen um einen Rückzieher vorangekommen ist. Dieter Hoeneß und Rupert Scholz, der Aufsichtsratsvorsitzende, haben dem Keeper in einem langen Gespräch klargemacht, welche Verpflichtungen mit einem Parteiamt einhergehen. Daß dabei auch ein wenig innerparteiliche Ranküne im Spiel war, wenn der CDU-Oldtimer Scholz dem designierten neuen Landesvorsitzenden Ingo Schmitt einen "Coup" vermasselt (es gibt zu viele "Coups" in der deutschen Politik im Moment), kann ich nur aus dem Kaffeesatz lesen: Scholz, Verteidigungsminister unter Kohl bis 1989, war 2002 in der CDU-Tempelhof nicht mehr gut genug für einen aussichtsreichen Listenplatz zur Bundestagswahl und kann sich jetzt den Ball, den sie ihm damals weggenommen haben, wieder zurückholen. Was wir hier zu sehen, ist das häßliche Gesicht der Hertha, ihre Verwurzelung im alten Establishment von West-Berlin, ihre höhere Funktionärsebene, auf die unsere Vereinshymne eigentlich gemünzt ist: Nur nach Hause gehen wir nicht. Fiedlers Naivität ist rührend, das Krisenmanagement der Hertha weniger, denn eigentlich hätte man das besagte Gespräch ja auch ein wenig früher mit ihm führen können - bevor er der "Morgenpost" schon Rede und Antwort zu stehen bereit ist, und seinen Eintritt in die CDU antritt. Meine Hertha-Kultur ist das nicht - ich sehe mich durch die Äquidistanz von Dieter Hoeneß, durch den Ossi Falko Götz, durch Yildiray Bastürk, den sie in Kreuzberg verehren, und durch Christian Müller vertreten, der mit der U1 zum Training fährt. Es wird aber noch Jahre dauern, bis das Scholz-Schiphorst-Establishment nach Hause geht.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen