Samstag, April 23, 2005

Volles Haus

Ludger hatte noch keine Karte, als wir heute nachmittag aus einer proppenvollen U2 stiegen und zum Olympiastadion wanderten. Ich hatte ihm Mut gemacht mit meiner Erinnerung an mein erstes Hertha-Spiel vor ein paar Jahren, das ebenfalls ausverkauft gewesen war, weil es gegen die Bayern ging. Ich fuhr damals einfach hinaus, kaufte einem Passanten ein Ticket ab - naiv, wie ich war, saß ich hinter einer durchsichtigen Plastikabsperrung im Bayern-Block. Das Spiel endete damals remis, wie auch heuer die beiden Begegnungen der Hertha mit dem deutschen Meister 2005. Es hat nach dem damaligen Erlebnis noch eine Zeitlang gedauert, bis ich mich mit Volker auf die Dauerkarte verständigt habe. Ludger wollte heute keinen überhöhten Preis bezahlen, war aber dann richtigerweise sofort überzeugt, als wir auf einen korpulenten Herrn trafen, der erzählte, daß seine Frau erkrankt wäre, weswegen er noch eine Karte übrig hatte. Vierzig Euro. Haupt- gleich neben der Ehrentribüne. Der Mann deutscher Konsul in Lillehammer. Geistiger Vater der Olympischen Spiele dort. Langjähriger Manager des Best Western in Lillehammer, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Ich fragte ihn natürlich gleich, ob er im Best Western am Hermannplatz absteigt, wenn er in Berlin ist. Er hat aber ein "Appartemeng" hier. Als er einmal ein Heimspiel von Schalke sehen wollte, rief er Heribert Fassbender an, der ihm die Nummer von Rudi Assauer gab. Als Ludger seinen westfälischen Heimatort nannte, in dem er selbst seit über zehn Jahren nicht mehr war, kannte der Herr sofort das beste Reisebüro am Ort. Das bekamen wir alles zu hören, während wir zum Einlaß anstanden. Dann mußte ich nach rechts, sie gingen nach links. Vermutlich kennt Ludger, der neben ihm auf der Haupttribüne saß, nun die Stadthistorie von Lillehammer und die Bilanzen von Best Western aus den letzten dreißig Jahren. Ich ging auf den gewohnten Platz, während A. mit Simon und Catherine in der Westkurve saß. Wir waren über das ganze Stadion verteilt - wie sich später herausstellte, war auch Michael mit seinem älteren Sohn noch da. Wir waren ausgeschwärmt. Das Match verlief fast zu glatt, als daß wir beim Schlußpfiff noch echte Befriedigung empfunden hätten. Nach der sechzigsten Minute war nicht mehr viel los. Davor glänzte Yildiray, der zwei Spiele lang ein wenig durchgehangen war. Marcelinhos neuer Look ist großartig schamanisch - erst gestern habe ich in Jena über brasilianisches Kino unterrichtet, vielleicht war auch das ein gutes Omen. Nando hat ein schönes Tor gemacht, wichtig war aber, daß er insgesamt gut intregriert wirkte. Schalke war heute schwach. Fathi hat für die Offensive üben können. Simunic beherrscht den weiten Paß auch in ganz überlegenen Spielen nicht - als Central Defender verehre ich ihn aber vorbehaltlos. Es war kein großer, aber ein toller Sieg, der wunderbare Perspektiven eröffnet. Die professionelle Arbeit dieser Saison verdeutlicht vielleicht diese Kleinigkeit: Falko Götz wechselte Dardai ein, als die Coachs begriffen, daß Kovac in Rostock wegen der gelben Karte gesperrt sein würde. Der ins zweite Glied geratene "Abräumer" bekam dadurch gleich ein wenig Matchpraxis. Das nenne ich Umsicht.

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