Freitag, Mai 10, 2013

Mores von Moyes

Die Personalie der Woche kommt aus England, genauer gesagt: aus Schottland. David Moyes wird Nachfolger von Alex Ferguson bei Manchester United. In einer sehr weit zurückliegenden Vergangenheit spielten beide einmal für die Drumchapel Amateurs, nicht gemeinsam natürlich, dazu ist der Altersunterschied zu groß. Ich bedauere die Sache, denn ich hätte mir gewünscht, dass Moyes Arsenal übernimmt, möglichst bald. Nun ist eine weitere Weiche gestellt, und der vielleicht interessanteste britische Trainer ist vom Markt. Dass es ein kurzfristiges Engagement werden könnte, nehmen nur wenige Beobachter an. Dazu hat Moyes mit dem FC Everton, der in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge vor dem Lokalrivalen FC Liverpool abschließen wird (eine Seltenheit bisher), einfach zu gute Arbeit über einen zu langen Zeitraum geleistet, als dass er nun bei der Alphatruppe von United scheitern müsste.

Mir gefällt an Moyes eine ganze Menge: er ist als Typ nicht larmoyant (eine Eigenschaft, die mir bei Arsène Wenger zunehmend auf die Nerven geht), er steht für einen rechtschaffenen Pragmatismus, bei dem es nie eine Rolle gespielt hat, dass Everton finanziell weit hinter den Rivalen lag, mit denen es sich zuletzt mehrfach um die europäischen Plätze duellierte. Diesen Umständen ist es sicherlich geschuldet, dass Moyes immer zuerst auf kompakte Strategien baute, und dass der doppelte Defensivriegel, wie ihn Chelsea unter Mourinho schon einmal zur Reinkultur gebracht hatte, in einer etwas flexibleren Variante sein erstes Prinzip war. Das sollte aber nicht übersehen lassen, dass er offensiv durchaus eine Menge aus seinen Teams herausholte. Wie er zuletzt den nur schwerfällig aussehenden Victor Anichebe wieder zu einer Waffe machte, das ist klassisches "upsetting", und die Flexibilität, mit der er Fellaini quer über das Spielfeld und die Systeme zum Einsatz brachte, war immer interessant. Dazu kommt, dass Spieler wie Leon Osman unter Moyes wirklich Steigerungen erkennen ließen, und irgendwie fügte Everton doch jedes Jahr einen Spieler dem Ensemble hinzu, der weiterhalf.

Vor allem aber machte die Mannschaft fast immer den Eindruck, dass sie wusste, was zu tun war. Das macht ja Arsenal oft so schwer erträglich: dass da ein Team so spielt, als gäbe es den eigenen Stil noch, aber so, als wäre dieser selbstverständlich und bedürfte nicht der Hinterfragung. In den nächsten zehn Tagen spielt Arsenal gegen Wigan und Newcastle und zugleich mit Chelsea und Tottenham um Platz 3 und 4. Die Ausgangsposition ist nicht schlecht, mit zwei Siegen wäre zumindest die CL-Qualifikation sicher. Doch liegt das letzte überzeugende Spiel schon lange zurück, und insgesamt ist nicht zu übersehen, dass ein Plan und eine neue Identität fehlen. David Moyes hätte ich zugetraut, dass er sich mit Arsenal auch auf die nächste Stufe seiner Arbeit begeben könnte: ein Gesamtkonzept aus Kompaktheit und Freiheit zu entwickeln. Das wird er nun in Manchester versuchen, wo das Projekt der Verstetigung des Erfolgs in eine sehr interessante Phase geht. Ob man bei Arsenal hingegen über die Verstetigung des "underachievements" noch einmal hinauskommen wird?


Donnerstag, Mai 02, 2013

Galaktikaner

"Deutschland ist Champion's League-Sieger", jubelte der nicht immer leicht zu ertragende Euphoriker Kai Dittmann am Mittwochabend, nachdem der FC Bayern sich mit 3:0 (insgesamt 7:0) gegen den FC Barcelona durchgesetzt hatte. Europa hat damit das interessanteste denkbare Finale. Es wird von den beiden Mannschaften ausgetragen, die in den letzten Jahren am meisten dazugelernt haben. Nicht mehr dabei sind viele Mannschaften, die taktisch und konzeptionell stagnieren (die englischen, die spanischen), deren Ligen nicht mehr interessant sind (Italien), oder bei denen noch unklar ist, ob sie auf kleinerer Konjunktur oder langer Entwicklung beruhen (Donetsk, Paris Saint-Germain). Bayern, viele Jahre täppisch in der Verwendung des unermesslichen Reichtums, ist klüger geworden, und damit stand dem FC Barcelona erstmals seit langem ein Gegner gegenüber, der nicht durch schiere Obstruktion (wie Inter Mailand oder Chelsea), sondern durch ein integrales Konzept überzeugte. Bayern hat das, was Klopp bei Dortmund begann, weiterentwickelt, mit einer Elf, die aus vier Ausnahmetalenten aus dem eigenen Haus und aus sieben fertig zugekauften Spitzenkräften aus Europa besteht. Dabei lohnt es durchaus, das Ausmaß der Investition noch einmal anzuführen: Martinez (40), Mandzukicz (13), Dante (4,7), Boateng (13,5), Neuer (22), Robben (24), Ribéry (25); man könnte auch noch Gomez (30) und Gustavo (17) hinzuzählen, bei denen allerdings mancher den Begriff Spitzenkraft vermeiden wird wollen. Das sind in Summe 132 Millionen Euro in den letzten sechs Jahren, also deutlich unterhalb der Exzesse der Scheich-Ligen. Aber natürlich immer noch überwältigend.

Wie konnte es kommen, dass Barcelona so chancenlos war? Ich kann es mir nicht anders erklären, als dass die lange Abwesenheit von Tito Vilanova eine entscheidende Rolle gespielt hat. Die Mannschaft wirkte absolut uninstruiert, selbst während der beiden Spiele gab es ja nicht einmal einen Versuch symbolischen Coachings, in München waren auch die Einwechslungen so, dass man nicht den Eindruck haben konnte, Vilanova hätte einen Plan B oder auch nur eine taktische Idee. Dabei hatte Bayern gegen Juventus und schon gegen Arsenal genau sehen lassen, was kommen würde. Im Camp Nou mit seinem riesigen Feld war die Übermacht endgültig erschreckend: Bei Ballbesitz hatte Barcelona regelmäßig drei bis vier Rote in Nähe des ballführenden Spielers, ohne dass deswegen dahinter Räume nutzbar geworden wären.

Die taktischen Details werden anderswo genauer erörtert werden. Mich interessiert an diesem Spiel auch, wie es mit Cesc Fabrégas und Alexandre Song weitergeht. Beide verließen Arsenal, um zu einem Club mit Perspektive zu wechseln. Beide waren am Mittwoch schlecht, und können im Moment noch nicht behaupten, dass sie es sich entscheidend verbessert hätten. Allerdings ist auch Arsenal, immerhin die einzige Mannschaft, die Bayern in diesem CL-Frühling einmal ein wenig nervös machen konnte, weit von einem tragfähigen taktischen Konzept entfernt, das einen Anschluss auch nur an die englische, geschweige denn europäische Spitze denkbar machen würde.

Vilanova sagte nach dem Spiel, dass es keine großen Änderungen brauchen würde. Dass er Xavi und Iniesta auswechselte, deutete in eine andere Richtung. Dass der FCB vor allem auch physisch absolut überlegen war, ist interessant vor dem Hintergrund so vieler Berichte, die wir noch vor zwei Jahren lesen konnten, in denen die kleinen Wusler als Spielertyp der Zukunft gepriesen wurden (Thiago Alcantara, damals ein Beispiel, spielte am Mittwoch ein wenig, fiel aber nicht auf). Denken wir uns zu dieser Mannschaft noch Götze (der eher von der Bank kommen wird) und spätestens 2014 Lewandowski (im Spiel gegen den Ball fast so gut wie Mandzukic, im Abschluss einsame Superklasse) hinzu, so haben wir es eindeutig mit "Galaktikanern" zu tun. Sie werden nächstes Jahr auch wieder im Olympiastadion landen müssen.

Dienstag, April 23, 2013

Schwerste Liga


Hertha BSC, Fußballclub aus der deutschen Hauptstadt, eine Mannschaft mit internationaler Ausstrahlung (im Bild Fans aus Saudi-Arabien, die ich am Sonntag vor dem Spiel gegen Sandhausen getroffen habe), wird in der kommenden Saison wieder in der obersten deutschen Spielklasse antreten. Erste Liga, schwerste Liga (vielleicht sogar weltweit gesehen). Vier Spiele sind noch Zeit, um einige Zweitliga-Rekorde zu brechen, doch geht der Blick natürlich unwillkürlich nach vorn. Dass ausgerechnet  Lasogga den entscheidenden Treffer gegen den mutmaßlichen Zweitliga-Absteiger erzielte, gefiel nicht nur mir gut - es war eine Geste in zweifacher Hinsicht, eines Geste des jungen Hoffnungsträgers, der im Moment keinen richtigen Platz in der Mannschaft hat; eine Geste aber auch des Fußballgotts (Herr Zufall), dass es für diesen Mann einen anderen Plan brauchen wird, als ihn (hinter Sandro Wagner, der allerdings durch Ein- und Auswechslung in einem Spiel nicht so gut wegkam) für ein paar Minuten hintenraus reinzuschicken. Gegen Sandhausen bewies Lasogga, dass er Zug hat, sogar über die Flügel, denn er kam mehrmals innerhalb kürzerer Zeit aus der Corner-Gegend gefährlich ins Spiel.

Fabian Lustenberger hat seinen Vertrag bis 2017 verlängert (Begründung: "geile Stadt, geiles Stadion, geiles Verein"), durfte dafür ein paar Minuten im Mittelfeld spielen, bis er wegen Sandro Wagner (für Brooks) nach hinten ausweichen musste. Könnte man Ronny zu einem Typ Sahin umkonditionieren, dann wäre vielleicht sogar ein 4-4-2 denkbar, mit Lasogga (Anläufer und Vollstrecker in einer mandzukischen Person) neben Ramos. Aber ich greife vor. Dieses seltsame Jahr, in dem Hertha einmalig dominant (allerdings im falschen Film) war, geht dem Ende zu. Bierduschen und dergleichen wirken wie Pflichtübungen, es macht derzeit eher den Eindruck: Hertha hat nichts gewonnen, sondern sich mit Ruhe und Willenskraft etwas vom Hals geschafft - das Joch der (für sie) leichten Liga.

Dienstag, April 09, 2013

Säulenheilige





























Nach längerer Abwesenheit bin ich gestern in mein Fanleben zurückgekehrt, der Anlass war ein passender: Topspiel der zweiten Liga, der "title clincher", der zugleich auch in der Premier League stattfand, dort allerdings schon seinen Sinn verloren hatte, weil der Rückstand von City auf United längst zu groß war. Hertha gegen Braunschweig, das war schließlich ein einseitiges Spitzenspiel, auch wenn man sehen konnte, warum die Blaugelben so weit vorn stehen. Doch Hertha ist für diese Liga eine Nummer zu groß, das gilt auch für das Olympiastadion, das eine Berliner Zeitung am Montag wieder einmal (unrealistischerweise) zur Diskussion stellte. Drei gelbe Karten für die Eintracht nach vierzig Minuten waren der deutlichste Hinweis auf die Schwierigkeiten, die Hertha dem Gegner machte. Es spielte im Grunde die Idealelf, die Coach Luhukay für sich in diesen Wochen herausmodelliert hat, also eine idiosynkratische Selektion, mit Old Boy Kobi links hinten, Allagui rechts vorn, Schulz statt Ben-Hatira, Brooks statt Franz oder Janker, Lustenberger statt Hubnik. Schon bald hieß es auch: mit Morales statt Niemeyer, der Kapitän musste verletzt hinaus.

Vor dem Spiel wurde bekannt gegeben, dass Ronny seinen Vertrag bis 2017 verlängert hat, es fiel das Wort "Liebe", die bekam er auch zurück von den knapp 40000 (grob geschätzt waren doch 10000 Anhänger von Braunschweig da, siehe Bild). Wenn nun auch noch Lustenberger unterschreibt, dann sind die beiden Säulenheiligen dieser Aufstiegssaison gebunden, und Luhukay könnte sich ohne allzu großen Druck an das weitere Team Building machen.

Zum Spiel gibt es so viel nicht zu sagen. Herthas Kompaktheit war hinreichend, auch wenn es die zwei, drei Aussetzer gab, die einen etwas anderen Spielverlauf immerhin denkbar erscheinen ließen. Ronny besorgte vor der Pause mit einem Freistoß die Führung (davor hatte er zweimal aus großer Distanz die Mauer nicht überwinden können, eine seltene Erfahrung). Ein Braunschweiger hatte das gemacht, was man instinktiv macht, wenn man sich einem Schuss von Ronny ausgeliefert sieht, er drehte sich ein wenig weg, der Ball wurde abgelenkt, der Keeper sah nicht gut aus. 1:0 zur Pause, ansprechende Pausenunterhaltung (man verzichtet inzwischen auf dumme Spiele und setzt auf Publikumsbindung durch Bild und Ton), anziehende Temperaturen und schließlich eine ungefährdete zweite Halbzeit, in der eine überragende Einzelleistung von Adrián Ramos den Höhepunkt markierte: er ließ Dogan stehen, obwohl er den deutlich längeren Weg hatte, und lupfte den Ball ins kurze Eck.

Ramos, den Luhukay sinnvollerweise auf seine beste Position zurückversetzt hat (zum Leidwesen von Lasogga), ist ein weiterer Säulenheiliger, der die Perspektive auf Liga eins aufhellt. Aber auch Allagui und Pekarik harmonierten gestern nicht schlecht.

Wenn ich richtig gerechnet habe, braucht Hertha nun aus fünf Spielen noch fünf Punkte, um sicher Platz eins oder zwei zu erreichen. Das bedeutet, dass nunmehr im Grunde Planungssicherheit besteht, auch für Fabian Lustenberger, der für seine Vertragsverlängerung hoffentlich nur noch auf den Moment wartet, an dem sich diese bestmöglich verkünden lässt - etwa dann, wenn auch theoretisch alles klar ist? Das wäre dramaturgisch in Ordnung. Der 21. April, wenn Sandhausen an einem Sonntagnachmittag (dann vielleicht sogar schon im Frühling? ich will nichts verschreien) zu Gast sein wird, wäre der designierte Termin. Der Fußballgott kann sich ja derweil um andere Dinge kümmern, Hertha ist in der Lage, das alles selbst auf die Reihe zu bekommen.


Montag, März 11, 2013

Most Valuable Player

Der Winter hat sich in Deutschland noch einmal zurückgemeldet und eines der unangenehmsten Fußballwochenenden des Jahres mit sich gebracht. Quer durch das Land war der Boden seifig, würdige Herren mit weiß beflockten Haaren versuchten, den schweren Ball halbwegs geschickt in bestimmte Richtungen zu befördern. Besonders am Sonntag war es nicht der Tag der Feintechniker. Hertha ließ sich den Nachmittag vom Wetter nicht verderben. Mit einem souveränen 4:2 gegen Duisburg gab es den nächsten Schritt in Richtung erste Liga, und wie fast immer in dieser Saison waren die Mittel der Situation angepasst: zwei Standards, ein Konter, und ein Eigentor von Brandy nach Konfusion vor dem Duisburger Sechzehner. Dazu zwei Gegentore, von denen das erste in einem heiklen Moment fiel, nämlich bei 2:0 für Hertha knapp nach der Pause - fragilere Mannschaften (eine zum Beispiel eine bestimmte aus Nordost-London) werden da schnell einmal nervös. Nicht Hertha 2013. Großartig vor allem der Konter zum 2:0, wobei das Verdienst hier vor allem Kluge gehört, der im entscheidenden Moment auf den Ball steigt, die Bewegung verlangsamt und ordnet, und dadurch Ronninho einsetzen kann, der aber auch Glück hat: in der Zeitlupe kann man gut sehen, dass der zu Boden plumpsende Verteidiger nur um Millimeter zu spät kommt, der Ball geht gerade noch so unter ihm durch. Der Brasilianer war später am Abend im Sportplatz zu sehen, wie er einige diplomatische Worte zum Besten gab. Dass die Vertragsverhandlungen mit jedem Scorer-Punkt schwieriger werden, müssen wir leider gewärtigen. Bei Transfermarkt wird Ronny übrigens nur an achter Stelle im Hertha-Kader gehandelt, soll heißen: sieben Spieler werden als wertvoller eingeschätzt, angeführt vom Bären, aber selbst Pekarik hat eine höhere Bewertung, und Änis Ben-Hatira liegt mit ebenfalls 1,5 Millionen gleichauf. Denke, dass das dieser Tage noch einmal ein wenig korrigiert werden dürfte. Gibt es Indizien dafür, wie Ronny sich entscheiden könnte? Ich denke, der Wohlfühlfaktor ist nicht zu unterschätzen, doch wird der Berater letztlich doch auf das finanzielle Gesamtpaket reflektieren. Es hängt also alles davon ab, ob es in der Liga (in der ersten) einen Club gibt, der Ronny deutlich mehr Geld zahlen will, als Hertha das kann. So viele Kandidaten gibt es da gar nicht.

Der Coach hatte gegen Duisburg wieder gruppendynamisch aufgestellt, es gab eine deutliche Integrationsgeste für Sami Allagui (der auf seiner angestammten Position im Angriffszentrum gemeinsam mit Sandro Wagner auf Position drei steht); der Tunesier beschränkte sich nicht auf den rechten Flügel, sondern lief fleißig auch an, arbeitete (nach) hinten mit, diverse Eigensinnigkeiten muss man ihm bei Lage der Dinge (geringe Spielzeiten) nachsehen. Schulz bekommt weiterhin den Vorzug vor Ben-Hatira, sodass man inzwischen nicht mehr den Eindruck habe kann, zweiterer werde langsam "an die Mannschaft herangeführt", vielmehr scheint er auf Sicht zweite Wahl zu sein (so enorm beeindruckend finde ich Schulz allerdings nicht, dass da nicht auch wieder einmal eine integrationspolitische Entscheidung erfolgen könnte: Ben-Hatira in der Startelf). Der Bär musste gestern sogar einer Einwechslung von Wagner zusehen, und wird sich später am Tag vielleicht das schnöde Spiel des VfB Stuttgart angesehen haben, zu dem er im Winter ja eventuell hätte wechseln sollen. Ramos bestätigte seine Position durch einen (dosenöffnenden) Kopfballtreffer.

Lustenberger spielte wieder einmal eine Halbzeit im Mittelfeld, nach wie vor sehe ich ihn eher dort, die Saison in der Innenverteidigung sollten wir als Training für seine Führungsrolle in der Hertha 2013/14 sehen, dann eine Linie weiter vorn (bei engem Kontakt der Linien, natürlich). Nächste Woche spielt Hertha in München, das Heimspiel gegen die Löwen erinnere ich als eines der taktisch, kämpferisch, spielerisch besten in der zwoten Liga. Daran anzuschließen wäre exzellentes Training für die erste Liga. Und darum geht es, bei aller gebotenen Vorsicht, von nun an doch schon.

Donnerstag, Februar 28, 2013

Feinspitzenspiel

Das DFB-Pokal-Viertelfinale zwischen Bayern und Dortmund war natürlich eine Sache von überregionalem Interesse. Ich habe auch zugeschaut, einerseits als Spielbeobachter für den FC Arsenal, andererseits als Fan, der wissen wollte, ob der FCB sich anschickt zu ein paar Jahren der totalen Dominanz. Nun: es sieht ganz so aus. Selten wird ein Trainer so ein bestelltes Feld übernehmen wie Josep Guardiola. Für den Fußball-Feinspitz war das ein tolles Match, auch wenn es lange Zeit eher die Kleinigkeiten waren, die es zu bestaunen gab.

In der ersten Halbzeit gab es eine Phase von vielleicht zehn Minuten, in denen der BVB ein wenig mehr Initiative zeigte - da gab es ein paar Szenen, die man Ronny zum Studium zeigen könnte. Wie Gündogan und Götze da den Ball mit geschmeidigen Bewegungen vom eigenen Sechzehner aus nach vorne brachten, das war schon eine Augenweide. Andererseits war es kein Zufall, dass der Super Mario so weit nach hinten kommen musste. Bayern hat eine einschüchternde Organisation, beginnend mit dem ebenso aufopferungsvollen wie abgefeimten Mandzukic, der als solcher zwar nicht zum Angreifermythos taugt, der aber als Rädchen im Getriebe fast schon unersetzlich ist (selbst Lewandowski wird sich anstrengen müssen, da heranzukommen). Und in Sachen Geschmeidigkeit stand Schweinsteiger seinem Kronprinzen Gündogan nicht nach. Dazu kamen ein paar tolle Pässe von Dante, denen sein gelbes Pendant Santana nicht Gleichwertiges entgegenzusetzen hatte, und der interessant nach vorne laufende Martinez, sowie der aus guten Gründen leidenschaftliche Robben - insgesamt wurde der BVB deutlich auf seine Grenzen verwiesen.

In London wird man das Spiel hoffentlich genauestens studieren, denn der Arsenal FC muss ja in zwei Wochen nach München, und dort vermutlich mindestens vier Tore schießen, um noch eine Chance zu haben. Die Wahrscheinlichkeit dafür würde ich mit zwei bis vier Prozent beziffern, daran muss aber nun gearbeitet werden. Dass van Buyten, den man in England vorher am ehesten als "weakest link" ausgemacht hatte (in Wahrheit kam Walcott in kein einziges Einszuseins gegen ihn), gestern beinahe schon wieder vorn getroffen hätte, ist ein weiteres Zeichen für die gefühlt totale Dominanz des derzeitigen FCB. Der BVB hatte eine Menge dagegenzusetzen, letztlich aber keine Chance.

Dienstag, Februar 26, 2013

Zweierkette

Schön langsam wird das eine eigene, ästhetische Übung: Hertha und die Effizienz. Gegen den FCK gab es im richtungsweisenden Spitzenspiel ein 1:0, den Treffer erzielte Kluge in der 68. Minute nach schönem, gleichwohl ein wenig experimentellem Zuspiel des in Halbzeit zwei eingewechselten Bären. Er kam für Pekarik, nachdem Baumjohann in der 33. Minute eine (eher harte) rote Karte gesehen hatte. Gegen zehn Pfälzer wurde das Spiel dann sehr einseitig, kurz vor dem Tor kam auch noch Wagner für Brooks (den ich hier in meiner neuen kunstfotografischen Serie "Digitalisierte Schemen bei der Feldarbeit" bei einem raren Vertikalpass erwischt habe), woraufhin Hertha im Grunde mit Zweierkette spielte. Die Übermacht mit Mittelfeld zahlte sich auch aus, denn Kluge, dessen Vorstöße in die Spitze generell interessant sind, war dann eben einmal zur Stelle (ziemlich genauso, wie Djeng es neulich war).

JLu hatte die Personalreserven dieses Mal durchaus originell sortiert. Allagui und Ben-Hatira nicht im Kader, Nico Schulz auf links (der Junge holte früh nach Lochpass von Ramos einen Elfer heraus, den Ronny allerdings nicht gut genug trat, Sippel wehrte ab), Fabian Holland hinter ihm. Insgesamt die typische Mischung aus Konsolidismus und Ausbildungsinitiative, die wir vom aktuellen Chefcoach schon kennen.

Ein paar Worte zu Ronny, mit dem Hertha ja gerade über einen neuen Vertrag verhandelt. Seine Leistung zeigte gestern deutlich, dass sein Können dringend des Managements bedarf (und damit meine ich nicht Dino Lamberti). Der wichtigste Herthaner dieser Saison neben Fabian Lustenberger fiel hauptsächlich durch Eigensinn auf, wollte zuviel selbst, hielt die meisten Bälle zu lang, war auch bei den Freistößen unkonzentriert, und hinterließ einen zwiespältigen Eindruck. Ich hoffe, man macht ihm auf konstruktive Weise klar, dass er ein Zweitligastar ist, der seine Erstligaqualitäten nur durch deutliche Steigerung und bessere Integration ins Team (Zusammenspiel mit anderen Kollegen außer Adrián Ramos jederzeit erlaubt) beweisen wird müssen. Schlecht wäre es auch nicht, jemand zu haben (oder wohl eher zu holen), der eine Alternative zu Ronny sein könnte.

Hertha müsste jetzt schon eine Menge Unsinn veranstalten, um nicht wieder in die erste Liga aufzusteigen. Und wir können sicher sein, dass mit diesem Morgen die konkreten Planungen beginnen (sofern sie nicht sowieso schon im Gange sind). Was dabei auf der Geschäftsstelle passiert, werden wir eher nicht sofort mitbekommen. Wir können nur sehen, was auf dem Platz so vorangeht. Ich formuliere einmal zwei Themen: Beim Herausspielen aus der eigenen Hälfte würde ich einfach einmal für ein Spiel die Option Rückpass auf Kraft verbieten. Dann würde sich das eine oder andere fünfminütige Jo-Simunic-Gedächtnisballgeschiebe verbieten (er konnte das ja wie kein anderer), und die Mannschaft würde nach Lösungen suchen müssen, wie sie Lethargie, Arroganz und Selbstbewusstsein nicht durcheinander bringt.

Zweitens wäre die Personalie Lasogga anzugehen. Der Junge ist zu gut, und als Sympathieträger und Identifikationsfigur zu wichtig, als dass er nicht mehr Spielzeiten bekommen sollte. Die Variante mit Ramos auf rechts lief eigentlich ganz gut, wenngleich ich auch glaube, dass der Kolumbianer zentral am besten aufgestellt ist. Da muss also nachgedacht und experimentiert werden, und damit bleibt die Saison auch weiterhin spannend.

Donnerstag, Februar 21, 2013

Langer Pfosten

Leider haben sich meine Befürchtungen am Dienstagabend mehr als bestätigt. Arsenal hatte gegen den FC Bayern nichts zu bestellen. Das 1:3 gibt aber zumindest eine Menge Material zur Analyse her, denn neben mentalen Faktoren (die Unterschiede im Selbstbewusstsein waren klar zu sehen) spielten auch taktische Angelegenheiten eine Rolle, und zwar solche, an denen Arsenal schon seit längerer Zeit laboriert.

Ich will aber mit einer Personalie beginnen. Der ganze Starrsinn von Arsène Wenger zeigt sich unter anderem darin, dass er den seinerzeitigen Panikkauf Per Mertesacker (wir erinnern uns, Arsenal hatte gerade 2:8 bei Manchester United verloren) immer noch für einen Innenverteidiger von Topformat hält. Der zweite Treffer der Bayern fiel nach einem Eckball, der offensichtlich einstudiert war - van Buyten geht auf den kurzen Pfosten, der lange Pfosten Mertesacker bleibt stocksteif stehen, Sczeszny kann nur abprallen lassen, Müller sendet ein. Was an dieser Szene so richtig ärgerlich ist, ist, dass sie drei Minuten davor schon einmal stattgefunden hatte, wie zur Probe war van Buyten Mertesacker schon einmal enteilt, da kam der Ball noch ein bisschen zu hoch, als dass daraus etwas entstehen hätte können.

Insgesamt kann man sagen, dass Arsenal durch das Bayern-Forechecking mächtig verunsichert war. Das erste Gegentor entsteht ja dadurch, dass Sczeszny, in seinen Abwürfen sowieso häufig zu unüberlegt, den Ball kurz auf Koscielny wirft, der wird von Kroos angelaufen, kann nur hoch nach vorne schlagen, Bayern nimmt auf, schaltet um, Arsenal ist defensiv durcheinander, Ribéry mischt sich auf Müllers Seite ein, Schweinsteiger ist auch da drüben, von Arsenal kümmert sich niemand um das Zentrum, Müller schlägt auf den Sechzehner herein, Ramsey haut daneben, Kroos hingegen trifft perfekt (auch hier geht Mertesacker merkwürdig in den Block, sich eigentlich wegdrehend von dem zu gewärtigenden Schuss).

Vernünftige Mannschaften spielen heutzutage ein integriertes Offensivdefensivkonzept, in dem man nicht einmal mehr eigentlich von Umschalten sprechen muss, sondern von ständigen Kontraktionen, wobei Bayern ganz eindeutig rechts mehr vorhatte als links. Vermaelen und der nicht immer gut zurücklaufende Podolski waren als "targets" ausersehen, und erwiesen sich auch als solche.

Woche für Woche bekommt Arsenal schon seit Jahren dieselbe Lektion. Die Räume für das berühmte "Kurzpassspiel", das inzwischen auch die besseren deutschen Journalisten aus dem Verkehr gezogen haben, werden selbst von mittelklassigen Mannschaften verlässlich zugelaufen, und die extra Arbeit, die Arsenal leisten müsste, um sie wieder offen zu laufen, wird nicht erbracht (Bayern lief sechs Kilometer mehr, zum Beispiel). Das Team ist einfach schlecht instruiert, das ist so offensichtlich, dass es fast schon peinlich ist. Die Qualität des Kaders ist nach wie vor ordentlich, aber in der momentanen Situation wird das "underachievement" geradezu gefördert.

Am Samstag kommt Aston Villa ins Emirates, dann werden die Weichen gestellt, ob diese Saison endgültig den Niedergang auch am Tabellenplatz erkennen lässt, den die Zahlen und der Augenschein längst deutlich gemacht haben.

Montag, Februar 04, 2013

Luft nach oben

Am Sonntag hat auch Hertha den Spielbetrieb wieder aufgenommen. Damit beginnt jene dichte Phase des Jahres, in der die Ligen und die Pokalbewerbe mehr oder weniger tagtäglich unsere Aufmerksamkeit beanspruchen. Und es geht gar nicht anders, als dass ich alle diese Spiele in einem Zusammenhang sehe: an diesem Wochenende das leidenschaftlich erkämpfte 2:0 von Bremen gegen Hannover (mit zwei besonderen Pirouetten von Elija); der eigentlich auch ziemlich engagiert bewerkstelligte 1:0-Sieg von Arsenal über Stoke (Torschütze "by deflection": Lukas Podolski, der inzwischen beachtliche Zahlen für sein erstes EPL-Jahr reklamieren kann); der gute Auftritt von Liverpool bei den hellblauen Geldsäcken von Roberto Mancini (dass es doch nur zu einem 2:2 reichte, lag an einer Koproduktion zwischen Pepe Reina und Aguero, der Keeper irrte herum, und der Angreifer sah sich dadurch zu einem Manöver inspiriert, das man nur als Kombination aus Chuzpe und Technik bezeichnen kann - allererste Güte!); die Intensität, mit der der BVB sich an die erste Verfolgerstelle der enteilten Bayern setzte.

Dazwischen Hertha in Regensburg, ein Spiel, das nicht nur aufgrund der viel tieferen Kameraperspektive in einer ganz anderen Dimension stattzufinden schien. Ein 5:1-Sieg, bei dem auch Marvin Knoll sich in die Schützenliste eintragen durfte, dazu ein vierfach beteiligter Ronny (besonders schön sein Tor zum 4:1, er bekommt den Ball so in den Lauf, dass er sich mit dem rechten Fuß ein wenig strecken muss, gerade diese Streckung nützt er aber dazu, ihn sich perfekt auf den linken zu legen). Mich freut die Überlegenheit von Luhukays auch dieses Mal wieder mindestens so sehr innenpolitisch wie taktisch formierter Elf, aber sie hat etwas Unwirkliches, denn sie lässt sich nicht projizieren: Sie betrifft ausschließlich diese Liga in dieser Saison, und sie wird von einer Mannschaft erspielt, von der ich mir nicht vorstellen möchte, wie es ihr eine Etage höher erginge.

Nach der ersten Halbzeit sprach die Sky-Reporterin (sie bewies, dass sie alle Kommentatorenphrasen drauf hat, eigener Ausdruck wird vielleicht noch kommen) von "Luft nach oben". Sie meinte das natürlich bezogen auf das Spiel in Regensburg, aber es lässt sich auf Herthas aktuellen Weg übertragen: Wir beobachten eine bemerkenswerte Binnen-Thermik in einem kleinen Seitental des Weltfußballs. Ob da aber etwas zusammenwächst, was den Turbulenzen des eigentlichen Betriebs gewachsen sein wird? Zum Glück muss die Frage jetzt nicht beantwortet werden, sie wird sich in den nächsten Monaten, Jahren von selbst beantworten. Nur eines können wir mit ziemlicher Sicherheit sagen: Derzeit hat Hertha einen Trainer, der genau für die Berliner Luft gemacht zu sein scheint, die bekanntlich immer dick und dünn zugleich ist.