Donnerstag, Dezember 06, 2012

Sein linker Fuß

Es zählt zu den besten Momenten für Fußballbeobachter, wenn er ein Tor noch in der Entstehung schon begreift. So war es am Montagabend, als Ronny das Auswärtsspiel in Cottbus entschied. Diese Ballannahme am Sechzehnereck, in der eine mögliche Drehung schon enthalten war, das ließ sich vor dem Fernseher (als Möglichkeit) ausnehmen, inklusive der kurzen Ecke, die sich gleich danach anbieten würde. Die Freiheit der Schussbahn konnte sich nur in den Hundertstelsekunden ergeben, die zusammen genommen eine Aktion von vielleicht zwei Sekunden Dauer ausmachen, die aber doch im Kopf des Zuschauers (in den des Spielers kann ich ja nicht hineinschauen, aber da muss es ganz ähnlich sein) eine äußerst komplexe und doch ungeheuer einfache Sach ergeben: Ballannahme, Drehung, Tor. Die Qualität der Ballannahme (der Ball kam steil von oben) war in diesem Fall der entscheidende Faktor, alles andere war Trademark Ronny.

Hertha hat damit ein Spiel gewonnen, das gut auch remis hätte enden können. Ronny hat nämlich die Probleme hintangestellt, die durchaus vorhanden sind. Ramos fehlte, Ben-Hatira fehlt schon länger, Pekariks Fehlen lässt Djeng vorne fehlen. Allagui ist kein Winger. Sandro Wagner ist kein guter "target man". Das sah man besonders deutlich bei einer exzellenten Konterchance für Hertha kurz vor dem Gegentor, als Wagner es schaffte, den "linking pass" hinter die nachrückenden Kollegen ins Seitenaus in der Bastians-Gegend zu spielen. JLu stellt im Moment so auf, dass er zugleich Kaderpolitik und Talentabwägung betreibt. Er hält die Gruppe zusammen, auch um den Preis, dass es der Mannschaft ein bisschen an offensiver Schärfe fehlt.

Bei aller Freude über Ronny sollte man ja nicht übersehen, dass er durchaus zerstreut sein kann; er verliert auch eine Menge Bälle, und ein wenig musste man in Cottbus sogar Sorge haben, dass er sich eine zweite gelbe Karte einhandeln könnte. Doch er hat eine ganze Reihe entscheidender Momente gehabt in dieser Zweitligahinrunde. Zweifellos ist er der Herthaner der Stunde. Das lässt es abgebracht erscheinen, noch einmal an das Spiel zu erinnern, mit dem das Kalenderjahr für uns begonnen hat: Vor dem Auswärtsspiel in Nürnberg ließ der neue Coach Skibbe verkünden, dass er auf Ronny als Spielmacher setzen wolle; nach 45 (zugegeben schwachen) Minunten nahm er ihn aus der Mannschaft, und damit war die erste taktische Idee von Skibbe perdu. (Was den Abstieg anlangt, glaube ich immer noch, dass das sehr unglückliche Ausscheiden gegen Gladbach im Pokal das entscheidende Spiel war: Aber damit kommen wir nur in das Dickicht der Konjunktive, und mittelfristig wären wir mit Skibbe sicher nicht glücklich geworden.)

Jos Luhukay hat hingegen eine Personalpolitik, die anscheinend sehr langmütig ist, und es zahlt sich auch aus. Ramos fand wieder in die Spur, Ronny erfand sich nahezu neu, Lustenberger wird der neue Arne (nur weniger verkrampft), Holland hat Angebote, Brooks wird der neue Simunic. In Paderborn sollte die lange Serie der ungeschlagenen Spiele halten, dann könnte Hertha sich über den Winter in aller Ruhe personell neu aufstellen - mit den aus Verletzungspausen zurückkommenden Spielern wird der Wettbewerb nämlich noch einmal deutlich härter werden (Exempel: Hubnik). Luhukay macht da viel richtig, vor allem scheint er es auch gut zu kommunizieren (nach innen). Sieht viel danach aus, dass Entscheidungsträger ohne Profilierungsneurosen eben doch die bessere Arbeit leisten.

1 Kommentar:

Natalie hat gesagt…

Vollste Zustimmung.
Bezogen auf Wagner würde ich sogar noch weiter gehen. Der Anschlußtreffer der Cottbuser geht für mich absolut auf seine Kappe - genau wegen dieses unsäglichen Passes, den Du beschreibst. Tore entstehen immer vorher - ich hoffe, JLu hat ihm den Kopf gewaschen.
Allagui, herrje,...
Den Namen "Arne" möchte ich nicht mehr hören, erst recht nicht, wenn's um Lustenberger geht. ;)