Samstag, Mai 05, 2012

Heimhoffen

Sieben Jahre ist es nun her, da ging ich auch an einem Samstag im Mai ins Olympiastadion. Hertha brauchte gegen Hannover unbedingt einen Sieg, um in die CL einzuziehen. Es wurde ein 0:0. Damals spielte eine Mannschaft, die im Rückblick als eine der klassischen neueren Hertha-Formationen gelten kann: Fiedler. Friedrich - van Burik - Simunic - Fathi. Niko Kovac - Neuendorf- Bastürk- Marcelinho. Rafael. Der Trainer hieß Falko Götz, der damals wohl auf dem Zenit seiner Arbeit stand, und Hertha war ein bestens etablierter Spitzenclub in der Liga. (es folgte dann aber schon eine peinliche Saison in Europa).

Ein Jahr später war Götz immer noch da, Hertha schaffte aber nur 48 Punkte, sinnlose Transfers wie der von Ellery Cairo hatten das Team nicht vorangebracht (man sprach damals auch schon häufiger von Sparen). 2007 war Götz am Ende der Saison (mit einigen absoluten Tiefpunkten im europäischen Bewerb) nicht mehr da, Hertha war mit 44 Punkten ins Mittelfeld zurückgefallen, im letzten Spiel gab es einen Sieg in Frankfurt: Torschützen Kevin-Prince Boateng und Marco Pantelic.

Es folgte der Sommer der großen Anspannung, und dann zauberte Manager Hoeneß Lucien Favre aus dem Hut, der aber in seinem ersten Jahr auch nur 44 Punkte schaffte. Es folgte seine erste (fast) große Saison (2008: 63 Punkte), es folgte der Absturz und Abstieg (2010: 24 Punkte), den Rest haben wir noch in frischer Erinnerung, und nun braucht Hertha heute wieder einmal unbedingt einen Sieg.

Wenn man sich die sieben Jahre vor Augen führt, die zwischen relativ gesicherter Zugehörigkeit zur oberen Ligahälfte und dem derzeitigen Chaos liegen, dann sind eigentlich nur zwei halbwegs eindeutige Beobachtungen sinnvoll: Falko Götz hätte der Thomas Schaaf von Hertha werden können, wenn er ein besserer (entwicklungsfähigerer) Trainer gewesen wäre und wenn er einen Sportdirektor an der Seite gehabt hätte, der eine klügere Einkaufspolitik gemacht hätte als die Mischung aus brillanten Schnäppchen (Pantelic) und Ramsch (Niko Kovac), die Dieter Hoeneß damals veranstaltete.

Lucien Favre kam zu früh in die Liga. Hertha musste den Preis für seine blinden Flecken zahlen, aber natürlich war nicht das entscheidend für den Abstieg, sondern die Arbeit von Friedhelm Funkel - die erste große Personalentscheidung von Manager Preetz, die er noch heute zu kompensieren versucht.

Mit welchen Emotionen fahre ich heute ins Olympiastadion? Meine Einstellung dem Spiel gegenüber hat sich seit 2005 deutlich gewandelt. Ich bin fatalistischer geworden, zugleich aber noch begeisterungsfähiger. Ich liebe den Fußball aus Gründen, die ich in Berlin leider seit längerer Zeit nicht wiederfinde. Die Saison in Liga zwee habe ich brav mitgemacht, und ich habe mich auch über den Wiederaufstieg gefreut. Die Arbeit von Markus Babbel habe ich akzeptiert, aber sie hat mich nie begeistert. Ich halte ihn für einen durchschnittlichen Ligacoach, der es aller Wahrscheinlichkeit nach "hingekriegt" hätte, Hertha in der Liga zu halten. Aber zu mehr als damals mit Falko Götz hätte es nicht gereicht. Er musste gehen, ich hielt das für richtig, es zeigte sich aber, dass die Saison damit komplett aus dem Gleichgewicht geriet.

Nun ist die Frage, was man sich nach dieser Rückrunde vernünftigerweise wünschen sollte? Eine ganze Reihe Leute sind - unabhängig vom Ergebnis heute - eigentlich hoffnungslos diskreditiert: König Otto, René Tretschok, Ante Covic, Raffael, Ramos, Ottl, Lell. Dazu der Manager, den ich als Gesicht von Hertha immer noch sehr schätze, der die Mannschaft aber in die Hilflosigkeit geführt hat. Macht die Phantasie von einem Neuanfang in Liga zwee Sinn? Ich glaube nicht. Natürlich ist es eher zu wünschen, den radikalen Umbau und Neuanfang, der notwendig ist, in der obersten Spielklasse zu veranstalten. Ich fürchte aber, dass eine Rettung in letzter Sekunde den Blick auf die Notwendigkeiten verstellen könnte. So gehe ich eher ratlos zum Spiel. Ich wäre schon zufrieden, wenn ich heute ein "statement of intent" sehen würde - eine Absichtserklärung in Form einer taktischen, läuferischen, kämpferischen Leistung, die Hoffenheim vor Probleme stellt. Alles weitere wird sich weisen.

1 Kommentar:

VBL hat gesagt…

Ja, ich weiß auch nicht, welche Alternative besser wäre, aber ich denke, auch wenn Preetz bleiben sollte, müsste der Dialog mit Sachverstand innerhalb des Vorstandes erweitert werden, damit nicht nur Manager-Trainer diskutieren, sondern notwendig der Kreis erweitert wird. Andreas Schmidt, Jürgen Röber, Michael Sziedat versehe ich mit ? , da er mich auf RBB nicht überzeugte: dies bedeutet eindeutig die Struktur zu verändern. Wäre Dortmund nicht ein "Vorbild".
Zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung, ihre Analysen sind wohltuend sachlich und überlegt, gegenüber anderen Medien und Bloggern.
Gruß VBL