Eine Menge ist passiert, ich gehe es einfach der Reihe nach durch. Die "Blamage für's Leben", das 1:2 gegen Union im Derby vor ausverkauftem Olympiastadion, habe ich in einem Stream in Frankreich bis zur 60. Minute gesehen und war angesichts der indifferenten Hertha-Leistung danach nicht weiter geneigt, A. noch länger hinzuhalten, die da schon andere Pläne hatte.
Ich habe es dann die ganze Woche nicht geschafft, das Spiel nachzuholen, und so wird dieses für viele Hertha-Fans größte Match der Saison für mich eine teilweise Leerstelle bleiben. Ich setze mich damit einem Verdacht aus, mit dem auch Coach Babbel in Ansätzen schon konfrontiert wurde: mangelndes Verständnis für Tradition usw. Und ich gebe gern zu, dass mich ein Berliner Derby nicht besonders aufregt - ich weiß, das widerspricht den elementaren Gesetzen des Fußballs.
Die Rehabilitierung glückte dann ja gestern im Wildpark zu Karlsruhe durchaus glanzvoll: 6:2 durch drei Tore von Raffael, zwei von Ramos und eins von Ronny - das ganze lateinamerikanische magische Kreisel, zu dem mit Patrick Ebert ein neuerdings wieder obercooler Berliner Jung hinzustieß, gab sich spätabends bei der Ankunft auf dem Flughafen TXL auch gelöst und gut bei der Sache (ich selber war nicht dort, aber der RBB).
Jedes dieser Tore steigert die Identifikation, und wer möchte nicht Ramos und Raffael eine Liga höher noch einmal gemeinsam angreifen sehen? Das Spiel hatte so seine Untiefen, die ganze erste Halbzeit war verkorkst, und es wird eine schöne Aufgabe für die Video-Analysten von Hertha (so es denn welche gibt), herauszuarbeiten, wie es sein konnte, dass Babbel zwar Niemeyer und Lustenberger gemeinsam aufbot, damit aber zwanzig Minuten lang null Dominanz im Mittelfeld entstand.
Dann musste Neumann verletzt hinaus, und mit Ronny wurde die Formation wieder orthodoxer. Ein Freistoßtreffer ergab trotzdem einen Pausenrückstand, der dann aber sehenswert wettgemacht werden konnte. Das erste Tor durch Raffael war glücklich, so ein Lauf durch das ganze Zentrum dürfte normalerweise nicht stattfinden, aber der KSC arbeitete da schon an einer selten konfusen Defensivgesamtleistung. Toll dann der zweite Treffer: Ramos bekommt am eigenen Strafraum den Ball, zieht los, legt knapp vor der Mittellinie nach rechts auf den gerade eingewechselten Patrick Ebert, der geht auf das Tor (könnte übrigens selber abschließen, entscheidet sich aber anders), legt quer zu Raffael, der lässt sich so etwas nicht entgehen. Er war mit einem Unterschenkel im Abseits, man kann ihm aber immerhin zugutehalten, dass seine knappe Verzögerung vor dem Pass (das Zeichen für einen Klassemann) den Linienrichter in die Irre geführt haben könnte.
Mein Lieblingstreffer war der dritte, der von Lasogga ausging, wieder am eigenen Sechzehner, der Junge zieht los, spielt auf Ebert, der links postiert ist und zu dem vorbeiziehenden Lasogga wieder durchsteckt, der geht nach innen und spielt klug nach rechts zu Raffael, für den die Sache wiederum nur eine der Professionalität ist. Das Tor gehört einzig und allein dem Zug zum Tor von Lasogga, der an diesem Tag sehenswert vorbereitete und insgesamt auch ohne eigenen Treffer eine gute Offensivformation mitprägte.
Dass Hertha in Liga zwee insgesamt eine unrund strukturierte Mannschaft ist, war gestern deutlicher denn je: sie ist einfach hinten viel schwächer besetzt als vorn, die Siege sind deswegen zwar nicht selten emphatisch, aber selten souverän. Und nun lese ich gerade, dass Lucien Favre vielleicht vor einem Comeback in der Bundesliga steht, in Gladbach - der Mann, der in Karlsruhe eine seiner größten Niederlagen hatte hinnehmen müssen, lang ist's her. Für Hertha hat er sich nicht auf längere Frist als der Modernisierer erwiesen, als den ich ihn auch gern gesehen hätte - dazu war er zu unflexibel und letztendlich kein guter Personalmanager.
Auf jeden Fall wäre das ein "Derby", das ich mir nächstes Jahr wünschen würde: Hertha BSC gegen Borussia Mönchengladbach unter Favre im Olympiastadion. In Liga eins.
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