Sonntag, November 07, 2004
Nachspielzeit
Es war großartig, wieder selbst im Olympiastadion dabeizusein gestern nachmittag. Es war großartig, die Ostkurve bei der Arbeit zu unterstützen, auch wenn ich in unserem Sektor das Unverständnis vieler Trübsalbläser finde. Es war ungefähr Mitte der zweiten Halbzeit, das Spiel war noch immer ganz offen, aber Hertha erkämpfte sich allmählich Vorteile, als der Fanblock einen neuen "Chant" ausprobierte, ein gar nicht lautes, aber super walzendes "Hertha BSC", das mich viel eher an Jamaica und Dub und untergründige Energie denken läßt als an das abstoßende "Sieg!", das die Fans der deutschen Nationalmannschaft immer noch intonieren, als ginge es um eine Operation Barbarossa. Die Ostkurve hat seit der letzten Saison meinen Respekt, und sie wird immer besser. Es war dann auch bald darauf, daß Falko Götz eine mutige Auswechslung vornahm: Bobic für Schröder, zweiter Stürmer für Außenverteidiger. Sie war notwendig, diese Veränderung, denn das System mit einem Schwarmmittelfeld und einem einsamen Nando Rafael, der kaum Räume fand, ist noch überarbeitungsbedürftig. Als Bobic kam, sagte ich zu meinem Begleiter und "Partner in Hertha" Volker: "Für eine der beiden Mannschaften wird dieser Wechsel tödlich sein." Ich habe mich geirrt. Zwar ging Werder in der 80. Minute in Führung, der Treffer fiel allerdings aus einer Standardsituation, die links entstand, wo Fathi zu diesem Zeitpunkt auch schon aus dem Spiel war: Ich wundere mich allenfalls ein wenig über eine "Zuordnung", die Bobic auf Charisteas ansetzt. Normalerweise entscheidet ein Treffer wie dieser ein Spiel, das mit großem Einsatz geführt, aber auch stark im Mittelfeld neutralisiert wird. Werder war in der 75. Minute müde gespielt, ab der 80. waren sie aber wieder wach, sie hatten sogar noch die Killerchance, konnten sie aber nicht nutzen. In der letzten Minute machte Madlung das Kopfballtor, und es wurde ein relativ gerechtes Unentschieden. In der ersten Halbzeit war der Lange schon einmal vorne gewesen, da hatte er noch die Hand eingesetzt - es wurde nicht bemerkt, weil es auch nichts brachte. Aber ich frage mich doch, ob man nicht allmählich dazu übergehen sollte, die Akte des Irregulären mit härteren Ahndungen zu belegen. Sie häufen sich nämlich, die geschundenen Elfmeter, die manipulierten Tore, die Fiesheiten. Ich werde langsam auch zu einem Anhänger des Fernsehbeweises und des vierten Schiedsrichters, man sollte vielleicht bei strittigen Abseitssituationen einfach weiterspielen lassen und hinterher entscheiden, ob die Konstellation regulär war. Ich weiß, daß all dies die Gefahr birgt, daß das Spiel in der Fernsehübertragung neue Möglichkeiten der Unterbrechung bekommt, und daß dadurch die Heiligkeit der 45 Minuten auf dem Spiel stehen könnte - die ununterbrochene Dreiviertelstunde, die im kommerziellen Fernsehen ja unter normalen Umständen ausgeschlossen ist. Hertha hat gestern einen neuen Fan bekommen, die Tochter eines Freundes aus Kreuzberg, die zum ersten Mal im Stadion war: Sie verehrt zwar immer noch Michael Ballack und Oliver Kahn mehr, aber sie wird bald herausfinden, daß auch Yildiray Bastürk eine Tube Haargel zu Hause hat.
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