Sonntag, Mai 26, 2013

Rosige Zeiten

Der FCB hat mit einem 2:1 gegen den BVB das wichtigste Drittel des designierten Triples errungen. Es war ein verdienter Sieg, dessen Zustandekommen ich mit ein paar Freunden im leider von vielen Werbeblöcken unterbrochenen Programm des deutschen Bezahlsenders verfolgt habe. Am Ende kam das für meine Begriffe relevanteste Argument von David: Wembley 2013 bedeutet nicht zuletzt, dass uns die schwer zu ertragende Generation von 2001 nicht mehr allzu lange auf die Nerven gehen wird. Kahn und Effenberg haben bald ausgedient, sie sind nun nicht mehr das Alpha und Omega, sondern eine Episode in den Geschichtsbüchern.

Philip Lahm, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller und zwei hochkarätige Legionäre aus Frankreich und den Niederlanden haben Geschichte geschrieben. Mir gefiel besonders, dass die beiden Flügelspieler Ribéry und Robben sich für das entscheidende Tor in der Nähe des Elfmeterpunkts trafen, um inmitten eines beträchtlichen Getümmels von Beinen eine äußerst filigrane Kombination aus Bewegungen auf engstem Raum zu inszenieren - in der Zeitlupe konnte man gut sehen, dass das beinahe Eishockey-Qualitäten hatte, wie der Ball da - Ribérys Hacke, deflection, Robben nimmt ihn noch einmal ein wenig nach links, schiebt ihn dann nach rechts, er kullert ins Tor - durch das Gewirr geführt wurde.

Schon in der ersten Halbzeit hatten wir deutlich das Gefühl, dass Dortmund bei Angriffen des FCB eigentlich deutlich offener war, als umgekehrt, auch wenn der BVB ein exzellentes Spiel machte. Die Umstände dieser Niederlage sind es auch, die mich am Ende versöhnlich stimmten (ich war für den BVB, aus positiven Gründen wie aus den üblichen, dass ich den FCB einfach nie mochte in all seiner bajuwarischen Popanzerei). Klopp und sein Team haben gezeigt, dass es rein spielerisch möglich ist, die Bayern herauszufordern, die mit ihrem Geld und der gnadenlos zusammengekauften Kompetenz ja drohen, nicht nur den deutschen Fußball auf Jahre hinaus zu einer öden Angelegenheit werden zu lassen. Damit diese Herausforderung aber auch Zählbares bringt, muss einfach alles stimmen, und es lassen sich glaube ich ziemlich klar die Faktoren benennen, die dann doch nicht stimmten.

Erstens funktionierte der Matchplan nicht. Das Führungstor in der ersten halben Stunde gelang nicht, und dann spielte auch der Schiedsrichter eine Rolle, als er Dante bei seinem Foul an Reus keine zweite gelbe Karte gab, wie es eigentlich angebracht gewesen wäre. Dass Neuer nachher davon sprach, ihm wäre in dieser Phase des Spiels der "Arsch auf Grundeis", lässt erkennen, dass Bayern bei 1:1 und mit zehn Mann vielleicht ins Wanken gekommen wären.

Zweitens ist der Kader des BVB eindeutig zu klein. Klopp hatte im Grunde niemand auf der Bank, der als "game changer", wie das vor dem Spiel in England als "talking point" benannt worden war, in Frage kam. Bayern hätte dagegen optimistisch auch auf die Verlängerung bauen können, mit einem nicht zuletzt physisch enorm starken Team.

Drittens braucht es für den "underdog" in so einem Spiel eine herausragende Leistung seiner Einzelkönner. Und da fiel vor allem Lewandowski negativ auf. Er hatte bis auf ein paar Szenen in der ersten Halbzeit ein schwaches Spiel, mit zunehmender Übermacht der Bayern konnte er seine Entlastungsrolle (Ball behaupten, Zeit gewinnen, Konstellationen schaffen) überhaupt nicht mehr wahrnehmen. Niemand wird jemals wissen, welche Rolle dabei das ganze Durcheinander um seinen Transfer gespielt hat, aber Klopp ließ in seinem sehr souveränen, sehr diplomatischen Interview bei Sky hinterher durchklingen, dass Lewandowskis Berater in der vergangenen Woche der Konzentration zumindest nicht zuträglich gewesen waren. Der brillante polnische Angreifer war die "lame duck" von Wembley, schade eigentlich, denn wenn er Pech hat, war das auch schon der Zenit seiner Karriere. Guardiola hat ja schon den einen oder anderen Topstürmer nicht so richtig gebrauchen können.

Das bringt mich abschließend zu dem Punkt, auf den allein zu hoffen ist: dass die Bayern demnächst vielleicht vor lauter Kraft nicht mehr gehen können könnten. Ohnehin schon werden sie im kommenden Jahr einen Kader von ausgesuchter Brutalität haben, mit einem Toni Kroos, der im Grunde keinen Auftrag mehr hat, dazu mit einem Robben, der nun der große Held ist, aber eigentlich auch schon als disponibel galt. Von außen wird ihnen sehr schwer beizukommen sein, wir können nur auf auf Königsdramen im Inneren hoffen, die ihnen die "rosigen Zeiten" (Philipp Lahm) verderben könnten, die sie vor sich haben. Und darauf, dass der BVB gut investiert. Nach drei peinlich schlecht instruierten Gegnern (Arsenal, Juventus, Barcelona) traf Bayern im CL-Finale immerhin auf eine sehr satisfaktionsfähige Mannschaft. Deswegen war es ein wunderbares Spiel mit vielen grandiosen Szenen (und, nebenbei, in Halbzeit eins glaube ich mit einer der höchsten Nettospielzeiten aller Zeiten).

Beim Abschied habe ich den Freunden noch eine Frage gestellt: Wieviele Jahre müssen ins Land ziehen, bis wir uns Hertha in so einem Spiel vorstellen können? Die Antwort war (abgesehen von lautem Gelächter) klar: Der Abstand wird niemals aufzuholen sein. Im internationalen Fußball sind die Weichen auf Gigantomachie gestellt, und Hertha kann allenfalls darauf verweisen, dass zwei Teilnehmer vom Samstag einmal in Berlin gespielt haben. Daraus ließe sich immerhin eine Identität als Ausbildungsclub aufbauen. Und da zeigt der BVB ja doch ganz gut, wie weit das gehen kann.


Keine Kommentare: