Sonntag, Oktober 30, 2011

Hochbrandgefahr

Es war ein denkwürdiger Nachmittag gestern in der Sportbar im Marriott an der Wiener Ringstraße: Arsenal und Hertha spielten auswärts, es gab zwei Siege, Torverhältnis 8:5. Chelsea und Wolfsburg waren die betropetzten Mannschaften.

Für die "gefühlten 10000 Hertha Fans", die selbst zum ICE-Derby gefahren sind, muss es ein großer Nachmittag gewesen sein. Sie sahen ein Spiel, das ich mir erst heute morgen zu Gemüte führen konnte, nun schon mit etwas kälterem Blut. Da war es dann nicht mehr ganz so eindeutig jenes tolle, abwechslungsreiche Spiel, von dem der Sky-Konferencier immer wieder gesprochen hatte. Es gab auch eine Menge Konfusion, vor allem auf Wolfsburger Seite.

Fünf Tore fielen, bei vieren war der Sender während der Konferenz gerade nicht auf Sendung, und in allen vier Fällen konnten wir aufgrund der Tonlage beim Schrei schon erkennen, was jeweils los war. Was also war los gewesen? Hertha hat einen VfL Wolfsburg, von dem ich nicht ganz sehen konnte, warum Felix Magath da irgendwas von CL und irgendwann Meister reden kann, kalt erwischt.

Das lag wirklich zu einem bedeutenden Teil an der Formation, für die Coach Babbel sich entschied: Ebert und Ben-Hatira nicht im Kader, Ramos und Rukavytsya auf den Flügeln, Lasogga vorn, und Raffael überall; zudem Franz statt Hubnik, das aber hatte seinen Grund in einer Verletzung des Tschechen.

Bester Mann bei Hertha war für mich Lasogga, der einmal mehr zeigte, dass er nicht einfach nur "Wuchtbrumme" (SZ e.a.) ist, sondern das Zeug zu einem kompletten Paradestürmer hat: er erobert Bälle, er spielt perfekt mit (direkte Weiterleitung auf Raffael vor dem ersten Tor), er läuft hervorragend (zum Beispiel vor dem Elfmeterfoul, aber natürlich auch vor dem entscheidenden Treffer). Pressing, Passing, Running, Scoring - so kann man "on fire" sein, wie Arsène Wenger dies am selben Nachmittag über den großen Robin van Persie (Hattrick gegen Chelsea) sagte.

Bei Coach Babbel war die Formulierung ähnlich, aber sie bezog sich auf die ganze Mannschaft, die immer wieder "hochbrandgefährlich" war, mit dem großen Brandbeschleuniger Raffael, mit dem immer wieder selbstlosen Ramos, und dem Pfitschipfeil aus Australukrainien, Nikita Rukavytsya. Mit dem dieses Mal deutlich vertikaler, also auch riskanter abspielenden Ottl - dass der Ball auch manchmal zum Gegner ging, war im Dienste der gewonnenen Dynamik zu verkraften. Und mit Niemeyer, der nach dem Ausgleich durch Schäfer fünf Minuten vor dem Ende Ramos losschickte, woraus der Siegestreffer entstand.

Hertha hat mit diesen wegweisenden Sieg drei Punkte zwischen sich und Wolfsburg gebracht, das bedeutet die Tabelleführung in der unteren Hälfte. Die vier Verlusttore im München sind schon wieder aus der Bilanz gespielt, ein Sieg gegen Gladbach würde auch eine positive Tordifferenz bedeuten - etwas, was Hertha auch in besseren Tagen nicht allzu oft hatte.

Das Spiel gegen Gladbach wird schwer genug, die Räume, die es bei den Wölfen gab, hält Lucien Favre mit seiner Mannschaft konsequent besetzt. Da wird es darauf ankommen, Geduld und Trägheit nicht durcheinanderzubringen. Ich habe meinen Flug eigens so gebucht, dass ich da auch wieder live dabei sein kann.

Freitag, Oktober 28, 2011

Hafenstraße

Der Fußballverein Rot-Weiss Essen ist nach eigenen Angaben "schützenswertes Kulturgut seit 1907". Dazu zählt auf jeden Fall auch das Stadion, das vielen nach auswärts zur zwoten Runde des DFB-Pokals gefahrenen Hertha-Anhängern sehr gut gefallen hat.

Ein ohne spielerische Brillanz letztlich ungefährdeter 3:0-Sieg war das Ergebnis, damit ist Hertha unter den letzten 16 und damit in einem Club, in dem nicht mehr viele Viertligisten verblieben sind (den einzigen, um genau zu sein, gab Coach Babbel als Wunschgegner für die nächste Runde an: Holstein Kiel).

Das Spiel in Essen habe ich nicht gesehen, weil ich gerade in Wien beim Filmfestival bin. Gut fand ich auf jeden Fall die Aufstellung, man kann da, glaube ich, ein wenig von dem Charakterkopf Markus Babbel erkennen: Einerseits gibt er den Pokalsieg als Saisonziel aus, andererseits rotiert er für das Pokalmatch eine Menge "zweiter" Kräfte in die Mannschaft (Burchert, Neumann, Janker, ...) und dokumentiert damit im Handstreich sein Vertrauen, ohne extrem viel damit riskieren zu müssen.

Dass er dann auch noch Lustenberger zum Kapitän machte, ist fast schon ein wenig Übermut, denn da hätte er auch Hubnik nehmen können, oder Niemeyer. Nun habe ich mir gerade die PK vor dem Spiel gegen Wolfsburg angesehen, das ich morgen wohl allenfalls in der Konferenz erwischen werde. Und da gab es ausdrücklich eine Frage zu den drei "Sechsern", in deren Beantwortung Babbel dann doch erkennen ließ, dass er die Sache ein wenig verzerrt sieht. Für ihn ist nämlich "der Andi" (also Ottl) zuständig für die "Kreativität", während er in Niemeyer und "Lusti" eher "Abräumer" sieht. Immerhin konzediert er Lustenberger, dass er ein Auge für Situationen hat (vor denen Ottl ja doch die seinen häufig verschließt).

Mal sehen, wie Babbel das morgen löst. Ich denke, dass es auf Ottl & Niemeyer hinauslaufen wird. Revirements sind am ehesten auf den Flügeln zu erwarten, wo zuletzt ein wenig Konzentrationsmängel zu verzeichnen waren, um nicht zu sagen: Schlendrian.

Am Rande noch eine Bemerkung zu Hertha TV: Ich kann jetzt in Österreich auch das Angebot sehen (bis vor einiger Zeit war außerhalb Deutschlands nichts zu machen), wie es im weiteren internationalen Raum ist, weiß ich nicht. Vom Pokalspiel gibt es leider nur 90 Sekunden Highlights. Wünschenswert wäre im Grunde, dass Hertha TV zu einem vollständigen Pflichtspielarchiv wird, wie es für mich zum Beispiel der Arsenal Player ist, wo ich wirklich jedes Spiel von Arsenal aus den letzten sieben, acht Jahren, seit Einführung von Arsenal TV eben, finden kann. Aber insgesamt ist bei Hertha TV doch eine Professionalisierung zu verzeichnen - das Angebot ist "auf einem guten Weg". Demnächst werde ich mich damit noch einmal gründlicher beschäftigen, hoffentlich muss ich meine Einschätzung dann nicht zurücknehmen.

Sonntag, Oktober 23, 2011

Trottreaktion

Das torlose Remis zwischen Hertha und dem FSV Mainz 05 war das langweiligste Heimspiel, an das ich mich erinnern kann - und ich habe viele Spiele gesehen, in denen Niko Kovac versucht hat, den Rhythmus zu "bestimmen". Dass Coach Babbel hinterher sogar noch eine Art Lob an die Mannschaft aussprach, dafür, dass sie einen Punkt geholt hat, mutet merkwürdig an.

Es deutet aber darauf hin, dass er vielleicht gar kein Problem sieht, wo 47.000 Zuschauer doch recht eindeutig eines zu bemerken meinten. Den Umstand, dass Lustenberger statt Niemeyer in der Startelf auftauchte, begründete Babbel eher mit körperlichen als mit taktischen Umständen (Niemeyer hatte während der Woche wegen Rückenbeschwerden nicht ständig trainieren können). Der Schweizer konnte nicht wirklich viel aus seiner Chance machen, das lag aber auch an der generellen Spielanlage.

Hertha hat ein Problem, das Spiel zu machen. Dieser Sachverhalt hat sich inzwischen herumgesprochen, aber es wird selten genauer gefragt, woran das denn liegt. Gegen Mainz war ein wesentlicher Grund sehr deutlich zu erkennen: Wenn man gegen einen gut disponierten Gegner erst zwanzig Meter in der eigenen Hälfte mit einer sehr nachlässigen Balleroberung beginnt, dann hat man, wenn man ihn dann einmal bekommt, den Ball, zuviel zu machendes Spiel vor sich, als dass sich da viel machen ließe an einem Tag, an dem die Flügelspieler defensiv stark beansprucht waren, an dem Ramos eher zerstreut wirkte (das kennt man ja von ihm, ab und zu), und Raffael, laufstärkster Herthaner, zwischen den Mühlsteinen zerrieben wurde.

Der Konter ist der Spielzug, der das Spiel in der Regel so beschleunigt, dass man es nicht mehr "machen" muss - der Konter ist eher ein Würfelwurf, ab und zu passt es eben. Deswegen versteht Hertha sich als Kontermannschaft, was aber eben nur manchmal funktioniert, und selten gegen Teams, die auf "Augenhöhe" operieren.

Hertha wäre also zumindest in Heimspielen eigentlich gut beraten, viel weiter vorn die erste Linie zu machen, insgesamt eine "higher line" zu spielen, zumindest gegen Mannschaften, gegen die man sich eigentlich nicht verstecken sollte. Gegen die "höhere Linie" spricht natürlich die Schnelligkeit wesentlicher Defensivspieler: Mijatovic und Kobiashvili zwingen geradezu zu einem "tiefen Stand".

Das sind Systemfragen, die eigentlich zwischen Babbel und Preetz schon intensiv diskutiert werden müssten, denn sie betreffen wesentlich die nächsten Zukäufe. Doch der Coach will sich ja noch nicht einmal über die Saison hinaus festlegen.

Der einzige Herthaner, den der Stadionsprecher zweimal hervorheben konnte, war Thomas Kraft. Der Keeper fand hinterher auch bezeichnende Worte: Er sprach von einem "Trott", in das Hertha-Spiel verfallen war, und aus dem die Mannschaft nicht mehr hinausfand. In der Regel obliegt es dem Trainer, in einer solchen Situation einzugreifen, zum Beispiel durch einen systemischen und nicht nur durch einen positionell identischen Wechsel: Doch Babbel blieb auch im "Trott", er brachte Torun für Ben-Hatira, Lasogga für Ramos und schließlich (nachdem Mijatovic Lustenberger am Kopf getroffen hatte) auch noch Niemeyer, der zumindest noch eine leichte Belebung brachte.

Eine Variante für Heimspiele, in der Raffael neben (grummel, grummel) Ottl einen ballerobernden Offensivsechser spielen könnte, scheint Babbel ja im Moment nicht in Erwägung zu ziehen. Der Münchner in Berlin überzeugt an guten Tagen durch eine gesunde Distanz, an weniger guten Tagen oder gar an einem wie gestern gibt er eher Rätsel auf, und so kommt ein Spiel zum schnellen Vergessen zustande. Am Ende war sogar das Pfeifkonzert schwach.

Samstag, Oktober 22, 2011

Blockbildung

Nicht nur wegen des Besuchs von Malik Fathi (hier ein Bild von seinerzeit, tolle Jerseys hatte Hertha damals, aber das außertourliche Clubemblem mochten die Fans nicht) ist das Heimspiel gegen Mainz die bisher interessanteste Begegnung dieser Saison. Das "Bonusspiel" gegen den FCB, das mit einem empfindlichen Malus endete, nachdem von vornherein eine Niederlage "einkalkuliert" gewesen war, lag ja genau auf dem Scheitelpunkt, davor gab es acht, danach gibt es acht.

Und es reicht ein Blick auf die Tabelle, um zu erkennen, dass nach wie vor in beide Richtungen eine Menge möglich ist. Der designierte Wiederabsteiger Augsburg will sich mit der allgemeinen Auffassung nicht abfinden und hat gestern gegen Bremen einen weiteren Punkt geholt - macht nun also vier Punkte Differenz zu Hertha, während der BVB heute morgen auf Platz 4 auch vier Punkte entfernt ist.

Um 15.30 ist das Team von Hertha also dazu aufgerufen, sich selbst eine Richtung zu weisen, und dies gegen den wohl angeschlagensten Gegner, der im Moment denkbar ist. Mainz werde nicht "mit breiter Brust" anreisen, ließ Coach Babbel verlauten, eine Aussage, die ich für unglücklich halte, es sei denn, Hertha macht das eigene Spiel vom Brustumfang des Gegners unabhängig.

Das ist bisher noch selten gelungen, beim Sieg gegen Köln konnte man von seriöser Opposition ja nicht sprechen. Vereinzelt ist diese Woche auch ein Debatterl über die Defensive zu orten gewesen: Soll Franz (statt Mijatovic?) eine Chance bekommen? Ich glaube nicht, dass der Coach das ernsthaft in Erwägung zieht, und ich hielte es auch für falsch. Denn das würde bedeuten, dass man das Bayern-Spiel, bei dem niemand gut aussah, dann doch ernster nimmt, als es live genommen wurde.

Der Sechserblock bildet nun einmal ein konstitutives Moment von Hertha in diesem Herbst, und es wird darauf ankommen, mit den Schwächen und Stärken dieses Verbunds zu arbeiten. Vor diesem Hintergrund erscheint mir dann doch die Frage des innermannschaftlichen Standings von Mijatovic im Moment wichtiger als seine Zweikampfbilanz - ohnehin zeichnet sich bei bisher vier gelben Karten eine Zwangspause ab, dann wird Franz zeigen können, ob er das Spiel von Hertha von hinten heraus ein wenig elastischer gestalten kann.

Im übrigen bleibe ich dabei, dass Ottl zu seinen bisher gezeigten Vorzügen (Ruhe, Ordnung) noch weitere hinzufügen könnte, ohne deswegen gleich in den Verdacht des Führungsspielers zu geraten. Die Abstimmung mit Niemeyer bleibt im Wortsinn das zentrale Thema von Hertha, die heute gegen Mainz hoffentlich als eine Mannschaft und nicht als interessante Kombination zweier sehr unterschiedlich ausgerichteter Blöcke auftreten wird.

Sonntag, Oktober 16, 2011

Blumenkinder

Sieben Minuten haben gereicht, um den einzigen denkbaren Matchplan von Hertha beim FCB locker durchzustreichen. Es ist eine faszinierende Übung, sich diese sieben Minuten noch einmal in allen Details anzusehen, wie das heute ja möglich ist auf Hertha TV, wo man das Bild anhalten kann, wo man an den Ursprung von Szenen zurückgehen kann, und wo man schon für diese sieben Minuten so viele Kleinigkeiten entdeckt, die in ihrer Summe dann eben eine eindeutige Niederlage ergeben.

Ich musste die sieben Minuten auch deswegen nachholen, weil ich ganz zu Beginn noch in England war, bei Liverpool gegen Manchester United (1:1) - als ich dann umschaltete, stand es schon 1:0 für Bayern, und ich kam gerade zurecht, um Ribéry das 2:0 schießen zu sehen.

Eine Szene, die ich auch erst später sah, und die ich für wichtig halte, gab es allerdings schon vor dem Spiel: Blumen für Kraft, Lell und Ottl. Die waren sicher gut und nett gemeint, aber sie stehen nun einmal dafür, dass jemand nicht gut genug war, und deswegen beim finanzschwachen Hauptstadtclub anheuern musste. Abgesehen von einigen guten Szenen von Kraft konnte dann auch keiner der drei nachweisen, dass es mit dem Bajuwaren-Gen etwas auf sich hat - ich für meinen Teil werde diesen Begriff nun auch endgültig aus dem Verkehr ziehen.

Nun zu den Feinheiten. Bevor es mit der Bayern-Dominanz losging, hatte Hertha sogar noch den Ansatz einer jener Konterchancen, auf die Coach Babbel wohl den Matchplan gebaut hatte. Raffael war unterwegs, Ben-Hatira lief sich dann aber fest.

Kurz darauf gab Jerome Boateng eine Generalprobe für das, was später zum 2:0 führte: Er versetzte ÄBH und Kobiashvili, und war auf der Position, auf der Falko Götz ihn in den Erstligafußball einführte, tatsächlich Topklasse.

Der Führungstreffer für Bayern hatte auf Berliner Seite fünfeinhalb Protagonisten: Kobiashvili unterbricht durch einen technischen Fehler eine offensive Hertha-Situation, Bayern schaltet sofort nach links um, wo Ribéry mit dem Ball nach vorne läuft. Ottl (aus den Statistiken wissen wir um seine Sprintaversion) läuft mit, eher nach Schema als nach Situation (der halbe Herthaner wäre hier Lell, auf den Ottl wohl gehofft hatte, der sich aber auf Ottl verlässt), wodurch Ribéry einen angesichts der absoluten Berliner Überzahl prinzipiell nicht gefährlichen Pass auf dem zentralen Gomez spielt.

Mijatovic geht aus der Kette heraus und in den Zweikampf mit Gomez, den er verliert, wodurch Hubnik als Absicherer gefordert wird, der sich aber von der in diesem Moment ja immer noch nicht eindeutig gefährlichen Situation überrumpeln lässt. Gomez schießt gegen die Laufrichtung des Spielzugs, und Kraft stolpert und streckt sich dem Ball hinterher. Mit zwei Mann hat der FCB das gegen die außer Kobiashvili vollzählige Berliner Defensive erledigt.

Dem 0:2 ging eine interessante Geste von ÄBH voraus. Er wollte Niemeyer ein Stück intensiver in die Balleroberung einbeziehen, der blieb aber hinten am Sechzehner. In die Entstehungsgeschichte mischt sich denn auch ein wenig Pech, denn tatsächlich fängt Ben-Hatira einen Querpass ab, kann den Ball aber nicht so kontrollieren, dass er ihn behält. Er fehlt nun hinten links, wo Niemeyer und Kobiashvili sich von Boateng vorführen lassen, und der zu diesem Zeitpunkt schon deutlich dekomponierte Lell geht nicht mit der gebotenen Aggression auf den Querpass, in den hinein ihn Ribéry von hinten überläuft.

Damit war die Sache im Grunde gelaufen, auch beim 0:3 fiel das Tor aus einer bei mehr individueller Qualität beherrschbaren Situation. Es fehlte insgesamt an Aggression, Antizipation und Agilität. Hertha bekam das vor Augen geführt, was Coach Babbel und Manager Preetz ohnehin wissen (müssen): Für die Mission dieser Saison dürfte die Qualität des Defensivblocks wohl reichen, insgesamt aber sind hier Verbesserungen personeller Art dringlich angeraten.

Für Mijatovic und Kobiashvili (ich wiederhole mich) müssen spätestens im kommenden Sommer neue Spieler verpflichtet werden, und auch die rechte Außenposition und das zentrale Mittelfeld müssen keine Tabuzonen bei Transfers sein. Ich fürchte nur, dass Babbel doch einen blinden Fleck hat, was "die Münchner" anlangt. Sie bekamen übrigens Extra-Heimaturlaub (ob das Kraft auch betrifft, der ja keiner ist, blieb unklar) - ich bin ja nun wirklich kein Disziplinfanatiker, aber das halte ich für das falsche Zeichen nach dieser Niederlage.

Wenn der FCB zum Rückspiel nach Berlin kommt, hoffe ich auf eine andere Einstellung - und vielleicht auch schon auf den einen oder anderen Spieler. Detail am Rande: Alfredo Morales gefiel mir in seiner, insgesamt natürlich belanglosen halben Stunde gut, Lustenberger hingegen fiel durch einen schlimmen Pass auf - daraus muss man keine großen Schlüsse ziehen, aber so ist nun einmal die Lage: Konkurrenz für Lell, Ottl, Niemeyer ist wünschenswert, solange Kobiashvili und Mijatovic gewissermaßen sakrosankt sind.

Samstag, Oktober 15, 2011

Easy Riders

Diese Woche habe ich einige Hinweise darauf bekommen, was es mit dem sogenannten "Bayern-Gen" auf sich hat. Zuerst hat eine Berliner Boulevardzeitung uns mit den Eigenschaften von Christian Lells Auto bekannt gemacht (zu dessen Überstellung von München nach Berlin man wahrscheinlich auf die Logistik der Castor-Transporte zurückgreifen musste), dann gab Coach Babbel der SZ ein Interview, in dem er Einblicke in sein Entspannungsverhalten (i.e. Ausbrennprävention) gab: "Grundsätzlich bin ich natürlich hier, um zu arbeiten. Und obwohl ich noch jünger bin, brauche ich ab und zu auch mal Erholungsphasen. Aber klar, wenn da jetzt Konzerte sind, wo ich sage, da will ich unbedingt hin, dann versuche ich das schon möglich zu machen. (...) Ja gut, in naher Zukunft kommt ja dann wieder Rammstein. Die haben einfach einen Druck, der mir sehr gut gefällt. Dabei kann ich mich wunderbar entspannen."

Vergleiche dazu Christian Lell über sein Kraftfahrzeug: "Den habe ich schon eine Ewigkeit. Er gefällt mir von der Optik und ist bei dem Schmuddelwetter echt praktisch. In München bin ich damit häufig in die Berge gefahren. Es ist wie Harley fahren mit einem Auto." Aus dem semantischen Feld Druck, Schwermetall, Stein, Rammen und Entspannung setze ich etwas zusammen, was ich einmal tentativ in eine bajuwarische Erbsubstanz eintragen möchte: Lell und Babbel sind Easy Riders auf schwerer Welle.

Doch nun zu den eigentlich wichtigen Dingen. Das Spiel beim FCB nach der gerade absolvierten Länderspielpause gleicht von den Bedingungen her ein wenig dem beim BVB vor einigen Wochen. Es findet auswärts statt, Bayern muss nächste Woche in der CL zum SSC Neapel, die Spieler haben gerade noch international gespielt. Hertha wird wohl auf eine sehr ähnliche Weise an das Spiel herangehen wie gegen Dortmund.

Besonders interessant wird für meine Begriffe das Segment um Kobishavili, Mijatovic und Niemeyer, die es vermutlich mit Müller zu zun bekommen werden, dessen räumliche Intelligenz neulich im ZDF anschaulich hervorgehoben wurde. Dazu das Duell zwischen Patrick Ebert und Christian Lell mit Lahm/Ribéry.

Der FCB ist tatsächlich auf allen einzelnen Positionen individuell besser besetzt, dazu kommt das Selbstvertrauen nach bisher mächtiger Saison - alles, was mehr ist als ein Punkt, wäre heute ein absoluter "Upset", und selbst ein Remis wäre schon als Triumph zu werten. Hertha ist aber nach acht Spielen so weit konsolidiert, dass man ein interessantes Spiel erwarten kann, im Idealfall mit ein, zwei Kontern, die "leichte Ritte" auf tiefem Stand ergeben. Go for it, Hertha!

Donnerstag, Oktober 06, 2011

Himmelsgrenzen

Dass es Fernsehrechte für Fußballspiele einmal auf die Titelseite der FAZ schaffen würden, hätte ich auch nicht gedacht. Am Mittwoch war es aber so weit. Die englische Wirtin Karen Murphy aus Portsmouth, über die ich hier schon berichtet habe, hat ein Gerichtsverfahren gewonnen, nach dem es ihr nun erlaubt ist, in ihrem Pub die Premier-League-Spiele auf Grundlage eines Abonnements eines griechischen Senders zu zeigen.

Der Fall ist dem meinen und dem vieler deutscher Fußballfans nicht vergleichbar, ein paar Schlüsse kann man daraus aber doch ziehen. Interessant ist die Sache vor allem für Anhänger des internationalen Fußballs. Sky Deutschland hat ja das einschlägige Angebot sukzessive zurückgefahren, letzte Maßnahmen waren die Reduktion der EPL-Spiele pro Wochenende und die Streichung des englischen Originalkommentars.

Ich habe daraufhin mein Abo gekündigt, das Ende Oktober auslaufen wird. Genau habe ich mir noch nicht überlegt, wie ich danach vorgehen werde. Radikalste Möglichkeit: Ich verzichte vollständig auf Pay-TV. Bei Hertha sehe ich ohnehin viele Spiele live, für die Auswärtsspiele müsste ich in eine Kneipe gehen, oder ich verzichte auf die Live-Erfahrung und sehe mir die Aufzeichungen bei Hertha TV an. Sehen könnte ich auf jeden Fall fast alle Spiele, nur die Cup-Matches tauchen auf Hertha TV nicht auf.

Bei Arsenal würde ich auch auf das Club-Fernsehen im Internet umsteigen, auch hier fiele das Live-Erlebnis weg, das aber der deutsche Kommentar bei Sky ohnehin empfindlich trübt, allein schon durch die dämliche Abmischung, die eindeutig nach Sprecherkasten in Bayern klingt und nicht nach Stadion in England.

Eine Alternative könnte nun nach dem Murphy-Urteil plausibler werden: Ich abonniere Sky England, und zahle damit direkt für die EPL. Bleibt das Problem, dass manche englische Matches auf ESPN laufen, also auch mit Sky UK nicht alles abgedeckt wäre. Wir sehen schon: die Fans sind immer die Blöden.

Wie wird sich das Urteil auf die Zukunft auswirken? Meiner Meinung nach wird es darauf hinauslaufen, dass ein europäischer Großanbieter auftreten wird, den es de facto ja schon gibt: Sky (England, Italien, Deutschland) wird die kleinen Konkurrenten verdrängen, und sich dann den Markt intern wieder kleinteilen. Dagegen werden die Kartellbehörden der EU eingreifen, sodass irgendwann wieder ein künstliches Gleichgewicht von Ungleichen hergestellt werden wird, aus dem die Fans sich ihre Spiele zusammensuchen müssen.

Hier noch eine Lösung für die Zukunft, wie sie längst denkbar ist: Alle Clubs vermarkten in Hinkunft ihre Spiele selbst, bieten auf clubeigenen Kanälen verschiedene Versionen an (vom Premiumprodukt einer bestens aufbereiteten, zusatzwerbefreien Live-Übertragung samt extensiven Atmos und Interviews bis zu diversen billigeren Lösungen), und zahlen die Einnahmen in einen großen Topf, den entweder die nationalen Ligen oder die Uefa verwalten, und von dem aus die Gelder wieder verteilt würden, nach fairen Schlüsseln.

Man hätte damit die Vorteile des dezentralen Internets, der finanziellen Zentralvermarktung, und der individuellen Entscheidungsfreiheit für Fans miteinander versöhnt. Nachteil: Die Einnahmen wären insgesamt geringer als bei dem jetzigen Modell, das ja auf Auktionen basiert, bei denen immer mehr bezahlt wird, als das Produkt de facto wert ist. Der europäische Fußball müsste sich auf ein etwas weniger galaktisches Modell einpendeln. Schlimm?

Sonntag, Oktober 02, 2011

In den Lauf

Ein einziger, unwiderstehlicher Antritt reichte gestern, und das Heimspielproblem von Hertha war vergessen: Änis Ben-Hatira kam über links, Andrezinho hatte, was die englischen Komentatoren in solchen Situatione gern einen "nightmare" nennen, im Fünfmeterraum bewegte sich Lasogga mit perfekter Verwerterintuition, und schon nach einer Viertelstunde stand es 1:0. Es war ein Schulbeispiel für Offensivfußball, gegen eine dann doch ziemlich überforderte Kölner Defensive.

Lange Bälle auf den neuen linken Flügel von Hertha hatte es schon davor ein, zwei Mal gegeben, da fiel noch eher die technische Perfektion auf, mit der Ben-Hatira den Ball annahm. Dann aber trat er an, der Ball kam flach in die Mitte. Wenig später schickte ihn Kobiashvili mit einem schönen, langen Slice wieder los, dieses Mal schlenzte Ben-Hatira auf den Kopf von Lasogga, der sich wieder perfekt bewegte - 2:0.

Wenig später sandte Janker einen Freistoß quer über die gegnerische Hälfte direkt in den linken Fuß von Raffael, der direkt verwandelte. Drei tolle Tore (gegen eine weiche Defensive) reichten für einen schließlich lockeren Sieg gegen einen direkten Konkurrenten, der an diesem Abend nicht wie einer aussah.

Das Ergebnis werden die nächsten Spiele in eine Perspektive rücken (mit zwölf Punkten zur Halbzeit der Hinrunde kann Hertha ganz entspannt zum FCB fahren), die Leistung von Ben-Hatira ließ aber einen größeren Plan erkennen: BP (Coach Babbel und Manager Preetz) haben seit dem Sommer 2010 eine bemerkenswerte Offensivabteilung zusammengestellt, aus Spielern, die über die Zweitligasaison hinweg gehalten werden konnten und dort einige Reife gewonnen haben (Raffael, Ramos, Ebert), aus Talenten, die jetzt schon absolut stammplatzfähig sind (Lasogga, Ben-Hatira, Torun), und aus Akademikern, die momentan leider weit weg vom Erstligakader sind (Djuricin, Schulz).

Die defensive Disziplin aller Offensivspieler war gestern sehr gut (an "Laufleistung" ergab das insgesamt auch gleich einmal zehn Kilometer mehr als gegen Ausgburg), und die individuelle Qualität, die vorhanden ist, erlaubt es eben, Angriffe mit oft nur zwei, drei Beteiligten zu spielen. Köln musste zur Pause die gesamte rechte Seite austauschen, auch dies ein Kompliment an Ben-Hatira.

Coach Babbel konnte es sich leisten, dreimal therapeutisch zu wechseln (Rukavytsya, Franz und Lustenberger, wobei Franz gerade einmal ein paar Minuten für seine gelbe Karte brauchte). Die Fitness der Mannschaft kann man von außen natürlich nicht so leicht ermessen, das macht aber auch einen guten Eindruck, der Wechsel des entsprechenden Coaches, den Babbel veranlasste, war mutmaßlich eine der wichtigeren Personalentscheidungen bei Hertha in der jüngeren Zeit.

Mit all dem soll nicht gesagt werden, dass wir notwendigerweise eine heitere Saison vor uns haben. Aber zwei Jahre nach einem desolaten 0:1 gegen Köln (8. November 2009 - Wetter, Stimmung, etc. alles furchtbar) hat sich das Bild doch deutlich verändert, und viele Grundlagen für eine interessante Entwicklung sind gelegt.

Samstag, Oktober 01, 2011

Expeditionstrupp

Bin schon gespannt, ob ich heute das besondere System mit freiem Auge erkenne, das Stole Stolbakken den FC Köln spielen lässt. Im Kicker wurde es neulich in Ansätzen erklärt, ich habe aber wohl nicht genau genug aufgepasst, um es sofort zu verstehen.

Es verspricht in jedem Fall eine interessante Begegnung zu werden, ganz anders als das schreckliche 0:1 vor zwei Jahren, als ich zu einem Fan der Rheinländer erbittert sagte: "Diese Mannschaft muss absteigen." So öd war Köln damals aufgetreten, nur um dann durch einen späten Novakovic-Kopfball noch die drei Punkte zu stehlen. Wir wissen, wie die Sache ausging, und zum Glück gibt es schon in dieser Saison ein Wiedersehen in der obersten Spielklasse.

Köln hat aufsteigende Konjunktur, bei Hertha gibt es gegenläufige Tendenzen und insgesamt noch viel Klärungsbedarf. In diesem Zusammenhang will ich noch meinen Kommentar zu der Entscheidung der Liga loswerden, die Performancedaten von den Spielen auch weiterhin zu veröffentlichen. Da bin ich unbedingt dafür, denn auch für den Laien stecken da interessante Informationen drin, es wird auf jeden Fall helfen, die Qualität des Gesprächs über den Fußball zu verbessern. Ich bin keineswegs ein Fanatiker der "Laufleistung" per se, aber ich halte diesen Wert langfristig durchaus für aussagekräftig (wie zum Beispiel, pardon, der Arsenal FC mit 10 km pro Spieler wie gegen Piräus in der CL vorankommen will, vermag ich nicht zu sehen).

So wird es zum Beispiel auch niemand überraschen, dass beim 2:2 von Hertha gegen Ausgburg insgesamt die wenigsten Kilometer an diesem Spieltag gelaufen wurden (Hertha 106,5 vs. Augsburg 102,2 - im Vergleich der FCK, der an diesem Tag gegen Mainz einen raren Sieg schaffte: 125,3). Das lässt sich in zweierlei Richtungen lesen: Augsburg gelang es, Hertha auf das ihm besser gelegene, langsame Spieltempo einzulullen. Oder umgekehrt: Hertha war so träge, dass Augsburg das Spiel mit individuellen Performances von unter 10km kontrollieren konnte.

Gegen defensivere Gegner in Heimspielen hat Hertha ganz simpel schon deswegen Probleme, weil ein Teil der Mannschaft sich nicht genügend freiläuft. Das hat mit dem System zu tun, das Babbel insgesamt spielen lässt, und das bekanntlich auswärts besser funktioniert: Man könnte es das System Spielverderber nennen, weil es im für Hertha besseren Fall darauf hinausläuft, die aktivere Mannschaft am Ende blöd aussehen zu lassen.

Das ist für einen Aufsteiger eine legitime Vorgehensweise, an deren Überwindung aber doch jetzt schon gearbeitet werden könnte. Heimspiele gegen Gegner wie Köln bieten dazu Gelegenheit. Hier muss es darum gehen, die Mannschaftsteile besser zu integrieren. Kobiashvili, Janker, Ottl, Niemeyer sind heute gefordert, wie auch Lasogga, der mit seiner Leidenschaft und seinem "da geht vielleicht was" ohnehin häufig eine gute Richtung vorgibt, nämlich frühere Balleroberung zu versuchen (siehe das Tor von Torun gegen Augsburg).

Wird es heute wieder zäh, dann wird aber auch die Option der Auflösung der Doppelsechs zu erwägen sein. Bin schon gespannt, wie lange Babbel braucht, bis er da einmal etwas probiert. Es würde aber auch schon reichen, wenn sie ein wenig kreativer interpretiert würde - nicht als reine Raumpatrouille, sondern als Expeditionsabteilung. Die gegnerische Hälfte müsste doch eigentlich jeden Fußballer gelegentlich reizen.